Kunst ist, wenn es dem Gehirn schmeckt

Ab wann ist von Kunst die Rede? Muss eine Skulptur erst im Museum ausstehen oder ein Bild teuer sein, ein Klavier auf einer Bühne stehen und den Saal erklingen lassen? Welche Bedingungen und Situationen müssen geschaffen werden, dass Gegenstände in die Kategorie Kunst eingeordnet werden? Für Paulina Kubiak ist diese Frage ganz einfach. Für sie ist Kunst, wenn es dem Gehirn schmeckt. Ich habe mich mit der jungen Künstlerin getroffen und mich mit ihr über ihre Bilder, über Zeit und ihre erste eigene Ausstellung am 27.12 dieses Jahrs unterhalten. Wir unterhielten uns knapp zwei Stunden, weshalb hier nur Ausschnitte unseres Gesprächs präsentiert werden.

Paulina, wie bist du zum Malen gekommen?

Ich habe mein ganzes Leben eigentlich schon gemalt, von klein auf. Früher mit sieben – das weiß ich noch – da bin ich einmal zum Ballett gegangen, für zwei Wochen, und danach bin ich da nie wieder hingegangen. Mir hat nur das Malen Spaß gemacht. Als Kind habe ich auch ein paar Kurse besucht, wo man von den Eltern mit Freunden hingeschickt wurde. Es war immer so mein Ding und das habe ich dann durchgezogen. Es gab nie eine klare Linie wo ich gesagt habe: „Ok, jetzt fange ich an zu malen.“ Wenn man aber unbedingt eine Linie ziehen möchte, dann vielleicht vor circa zwei Jahren, als ich mich an große Leinwände getraut habe. Da hatte ich auch immer richtige Ideen, die ich konkret umsetzen wollte. Es erfüllt mich, dieses kreative Austoben. Der Prozess und seine Gedanken irgendwo festzuhalten, das hat mich immer ziemlich glücklich gemacht. 

Hast du eine Routine, wenn du malst?

Es ist ein Prozess. Ich würde sagen, es fängt damit an, dass ich eine Idee habe. Wenn man mich jetzt fragen würde, woher meine Inspiration kommt, würde ich sagen, dass es momentan besondere Menschen in meinem Leben sind, die mich inspirieren. Wenn Menschen Dinge sagen und ich länger darüber nachdenken muss. Ansonsten sind das tatsächlich auch ganz banale Sachen. Zum Beispiel stand ich neulich beim Bus und hab 20 Minuten gewartet und hab dann einen Entwurf gemalt, wo es ums Warten ging, um Zeit und Zeitgefühl, einfach Alltagssituationen. Ich überlege was ich von den Ideen umsetzen möchte, welche mir besonders gefällt und wo ich schon eine Vorstellung im Kopf habe, wie es aussehen könnte. 

Du hast von besonderen Menschen gesprochen, was sind für dich besondere Menschen?

Menschen, die mich inspirieren, an die ich mich emotional binde, weil ich deren Aussagen ernst nehme und deren Meinungen mir wichtig sind. Auch sehr interessante Menschen, Menschen von denen ich fasziniert bin. 

Gibt es da ganz bestimmte Aspekte, die dich faszinieren?

Das ist eher eine Gefühlssache. Was ja auch das Schöne daran ist, weil man manchmal gar nicht weiß warum man etwas tut und es einfach macht, weil es sich richtig anfühlt. 

Hat es einen Grund, dass die meisten deiner gemalten Menschen auf den Bildern wenig Gesichtsausdruck haben? 

Es hat schon einen Grund, ich mag es auch nicht meinen Bildern einen Titel zu geben, einfach aus dem Grund, dass es die Wirkung davon manipuliert. Wenn ich mir ein Bild angucke, möchte ich nicht zuerst auf den Titel achten, sondern mir das Bild genau angucken und wenn ich einen Titel habe, der irgendwas aussagt, habe ich da direkt eine Richtung, eine Blickart, wie ich darauf schaue. Natürlich kann man mit Gesichtsausdrücken viel ausdrücken. Aber das möchte ich mir nicht zunutze machen. Ich möchte, dass es für mehr steht, als nur für einen Gesichtsausdruck, dass es nicht sofort ablesbar ist, weißt du? Ich möchte mir das alles noch etwas offenlassen. 

Was meinst du mit mehr? Für was sollen deine Bilder stehen?

Zum Beispiel, ein politisches Statement ist es nicht. Soweit bin ich nicht und ich weiß auch nicht ob ich so weit gehen will. Weil politische Statements mir viel zu gefühllos sind, da diese meiner Meinung nach eine breite Masse ansprechen sollen. Ich finde Kunst sollte viel persönlicher greifen. Das Malen ist für mich ein Ventil, damit ich meine Gefühle ausdrücken kann. Gerade wenn man soviel Zeit in ein Konzept von so wenigen Zentimetern investiert. Ich finde das immer toll. Weil man da auf sich klarkommen kann. Es ist auch immer sehr spannend was letztendlich aus dem Bild wird. Es gibt ja immer Lücken, die man nicht bedacht hat. Beispielweise: Ich habe mal eine Landschaft gemalt und das war mir viel zu langweilig und dann habe ich da eine Frau reingemalt – auch eine ganz absurde Idee – die mit einem Staubsauger über einen Rasen geht und dann war ich zufrieden.

Du malst ja auch viele Frauen? Was siehst du in dem Körper einer Frau?

Ganz zuerst, finde ich, dass der Körper einer Frau eine sehr schöne ästhetische Wirkung hat. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich in meinem Leben eher mit Frauen zu tun hatte, weil ich bei meiner Mutter aufgewachsen bin und dann noch mit einer Schwester im Haus. So war ich immer unter Mädchen. Außerdem finde ich, dass bei uns (in der Gesellschaft) die Stärke einer Frau fehlt. Ich finde, dass das oft gar nicht zum Ausdruck kommt, obwohl sie so wichtig sind. Frauen sollten generell auch mehr geschätzt werden. 

Unterstützt dich deine Mutter?

Ja total, auch gerade, weil ich ja gar nicht weiß, in welche Richtung das in Zukunft gehen wird. Man muss immer vom Worstcase ausgehen, habe ich das Gefühl. Worstcase bedeutet, dass man von der Kunst nicht leben kann und im Endeffekt einen Job macht, der einen nicht glücklich macht und Kunst nur nebenbei macht. Das möchte ich auf gar keinen Fall, weil Kunst einfach eine zu große Rolle in meinem Leben spielt.

Was hast du für eine Beziehung zur Natur?

Natur ist der Ursprung von allem. Hamburg ist eine große Stadt, wenn man da so durchschlendert und ganz viele Autos sieht, gehört es noch zu Natur? Weil irgendwie ja schon, weil es alles daherkommt. Natur ist etwas Geborgenes, wo man zur Ruhe kommen kann und seine Wurzeln findet. Ich bin gerne in der Natur. Eine Zeitlang habe ich viele Spaziergänge im Wald gemacht – für drei Stunden ohne Handy. Da hat man Zeit über sich selbst nachzudenken und zu reflektieren. Musik ist auch etwas extrem Schönes für mich. Das hat mich auch ein bisschen schockiert, dass die Stimmung von einem selbst total manipuliert wird. Das ist einfach eine krasse Wirkung. 

Wie viel Geld nimmst du für deine Bilder?

Das ist eine Frage, die ich nicht beantworten möchte. Das hängt davon ab, wie wichtig es mir ist. Für wie viel ich mich davon Trennen möchte. Es ist jedes Mal eine Art von Trennung, das ist immer echt schwer. Man baut schon eine Beziehung zu den Bildern auf, gerade wenn man soviel Zeit mit ihnen verbringt. Das ist ja auch immer ein Stück Persönlichkeit, deshalb habe ich auch echt Angst vor negativer Kritik. Bisher blieb ich ja immer verschont davon. Aber wenn das erste Mal jemand sagt, dass dem oder derjenigen meine Bilder nicht gefallen, kann mir nicht vorstellen, dass ich da so eine Distanz aufbauen kann, dass ich das nicht persönlich nehme. Die Bilder sind ein Teil von mir. 

Arbeitest du zurzeit an einem neuen Bild? 

Ja. Das ist das, wo ich an der Bushaltestelle stand. Das mit der Zeit, wo mir aufgefallen ist das Zeit so eine Sache ist. Kann man da wirklich dran glauben, ist es ein Konstrukt der Menschen oder gibt es das wirklich? Wer kann das einem versprechen, dass es Zeit gibt? Zeit finde ich auch echt gruselig, da kann kein Mensch etwas gegen machen. Egal wie viel Geld oder Macht dieser Mensch hat, niemand kann auch nur für eine Sekunde die Zeit anhalten. Kennst du das: bei einem Gespräch und dann hast du einmal auf die Uhr geguckt und du dachtest, es sind nur zwanzig Minuten vergangen und eigentlich ist schon eine Stunde vergangen? 

Wer Lust auf mehr bekommen hat und Paulina und ihre Bilder gerne persönlich kennenlernen möchte, kann am 27.12 zu ihrer Ausstellung kommen. Die Adresse sowie die Uhrzeit findet ihr auf ihrer Internetseite: paulinakubiak.com. 

Bild mit freundlicher Genehmigung von Paulina Kubiak
Henrike Notka Verfasst von:

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