Aber was ist eigentlich mit…? Whataboutism in den sozialen Medien und der Politik 

Es ist eine Situation, die Nutzer*innen auf sozialen Medien häufig kennen: Man öffnet Twitter und andere Nutzer*innen diskutieren über die Black Lives Matter Proteste. Viele Nutzer*innen berichten von ihren eigenen Erfahrungen mit Rassismus. Doch ein Nutzer lenkt plötzlich auf ein ganz anderes Problem hin: Warum interessiert sich niemand für White Lives? Weiße Menschen werden schließlich auch getötet. Whataboutism nennt sich dieses Phänomen – und es verbirgt viele Gefahren. 

2017 gaben Neonazis in Charlottesville, Virginia eine gewaltsame Demonstration. Sie schrieben ,,White Lives Matter“ auf ihre Schilder und wanderten stundenlang mit Fackeln durch die Stadt. Sie protestierten für ihre Rechte als weiße Bürger*innen. Bei einer Gegendemonstration starb schließlich Heather Heyer, nachdem ein Auto sie gerammt hatte. Als der damalige Präsident Trump als Reaktion auf die Neonazis Demo eine Pressekonferenz gab, lenkt er vom Thema ab. Wie stelle er sich zu den Neonazis in Charlottesville? Trumps Antwort: er sei bestürzt, aber was ist mit den gewaltsamen Linksextremisten? Damit gab Trump ein exemplarisches Beispiel zu What about-ism. Nicht nur auf sozialen Medien, sondern auch in der Politik ist es weit verbreitet. Der Präsident räumt ein, dass die Neonazis Demonstration katastrophale Konsequenzen hatte. Aber Trump erwiderte, dass es andere Demonstrant*innen gibt, die genauso schlimm sind. Man lenkt von einem Problem ab, indem man auf ein anderes hindeutet.

Was ist What about-ism genau? Man will hauptsächlich Kritik von sich räumen. Um das zu gelingen, weist man auf die Probleme oder Missgeschicke des Gegners hin. Vielleicht stimmt es, dass Linksextremisten auch gewaltsam sind, aber der Mittelpunkt der Diskussion waren die Neo-Nazis in Charlottesville. Die Journalist*innen wollten von Trump eine klare Stellungnahme über die Rechten Demonstranten erhalten. Linksextremisten waren nicht Teil der Debatte. Damit hat Trump es jedoch geschafft, von einem polarisierenden Thema abzulenken. 

Trump hat diese rhetorische Taktik nicht nur 2017 benutzt. Im Wahlkampf von 2016 war es nicht selten, What about-ism zu beobachten. In einem Tweet vom 22.07.2017 beschwerte sich Trump, dass er der Korruption beschuldigt wurde. Trump konterte daraufhin, dass Hillary Clinton auch wegen der E-mail Affäre beschuldigt wurde – warum würde niemand auf sie genauer gucken?

Ist What about-ism Grund zur Sorge? Eigentlich will man nur einen Doppelstandard anprangern. Problematisch wird es jedoch, wenn man auf ein Doppelstandard nur aufmerksam macht, um Verantwortung von sich zu abzustoßen. Man zeigt mit dem Finger aufeinander, anstatt zu diskutieren. Wenn beispielsweise die Rede von den Black Lives Matter Protesten ist, sollte man nicht sofort denken: aber warum demonstriert niemand gegen Arbeitslosigkeit? Bei What about-ism will man nur Recht haben. Auch wenn Trump das Thema auf Hillary Clintons E-mails lenkt, ändert das nichts an den Korruptionsvorwürfen gegen ihn. Das eigentliche Problem, nämlich Rassismus oder White Supremacy, bleibt weiterhin bestehen. 

Darum geht es im Kern von Whataboutism: man will nur einen guten Weg finden, um der Kritik zu entgehen. Senator Al Franken wurde 2017-18 beschuldigt, in seiner Amtszeit Frauen sexuell belästigt zu haben. Er konterte lediglich, dass Trump es auch getan habe. Dabei nutze Senator Franken Trump, um von sich abzulenken. Obwohl es stimmt, dass es auch Vorwürfe von sexueller Belästigung gegen Trump gibt, ändert das nichts an Al Frankens Verhalten. Politiker*innen sollten nicht unangenehmen Fragen ausweichen. White Supremacy und sexuelle Belästigung bleiben weiterhin ein Problem, auch wenn Politiker*innen davon ablenken wollen. Ansonsten verschieben Politiker*innen den Fokus der Diskussion auf soziale Medien, ohne Anschuldigungen zu konfrontieren. 

Yasmin Orouji

Bild mit freundlicher Genehmigung von Pablo Martinez Monsivais, AP
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