Ferdinand von Schirach: „Jeder Mensch“ – Eine europäische Utopie?

Politische Entscheidungsträger*innen sind per Gesetz dazu verpflichtet in der Öffentlichkeit die zu Wahrheit sagen? Klingt utopisch? Das soll es auch. 

„Jeder Mensch“ heißt das neue Buch, welches Ferdinand von Schirach letzte Woche veröffentlicht hat. Ein langes Buch ist es nicht und wer auf einen neuen Roman gehofft hat, der wird auch enttäuscht sein. Doch die Enttäuschung währt gewiss nicht lange, denn was von Schirach hier mit einer großen Gruppe von Unterstützer*innen verfasst hat, ist äußerst interessant und relevant. Ein Entwurf für eine neue Europäische Grundverfassung für das 21. Jahrhundert. Nur sechs neue Gesetzesentwürfe umfasst das Buch nur und diese klingen, nun ja, mitweilen utopisch.

Gegen Lügen von Politiker*innen, den Klimawandel oder für eine absolute Entscheidungsfreiheit bezüglich der eigenen Daten im Netz richten sich die Entwürfe. Damit sollen viele Probleme unserer digitalen und globalisierten Gesellschaft gelöst werden. Denn anders als bei der aktuellen Charta der Grundrechte der europäischen Union dürften Europäer*innen bei diesen Entwürfen ihre Rechte einklagen.

“Die ‚selbstverständlichen Wahrheiten‘ waren 1776 also nur eine Utopie. Sie zeigten die Gesellschaft nicht wie sie war, sondern wie sie sein sollte.“

Wer von Schirach in der letzten Woche in Interviews gehört hat weiß: Ihm ist bewusst wie naiv die Entwürfe mitunter klingen mögen. Er argumentiert, in der Geschichte der bisherigen (Menschenrechts)Verfassungen sei dies immer der Fall gewesen. All diese beschlossenen Gesetze entsprachen überhaupt nicht der Situation, welche vorherrschte. Als 1776 die Unabhängigkeitserklärung der Vereinten Staaten verfasst wurde, waren noch lange nicht alle Menschen gleich, sondern viele versklavt. Auch diese Gesetzesentwürfe sind fernab unserer Realität und eignen sich somit aber umso mehr dafür, die Probleme unserer Zeit zu lösen. Und diese Lösung ist vielleicht bald zum Greifen nah: Online kann für die mögliche neue Verfassung abgestimmt werden.

Nicht nur wir bei FREIHAFEN finden Utopien interessant, denn sie geben uns eine Idee, wo es in diesem Millennium hingehen könnte. So ist das Buch auch gleich auf die Bestsellerlisten geschossen. 

Wem das immer noch nicht genug Utopie war, der bekommt hier einen Tipp im Tipp: im Podcast „Hotel Matze“ erklärt Ferdinand von Schirach seine Idee noch einmal ganz ausführlich.  

Bild mit freundlicher Genehmigung von Christian Lue
Linn Könnecke Verfasst von: