Freiwillige Menschenrechte: WARUM WIR EIN LIEFERKETTENGESETZ BRAUCHEN

Musik ist ein essenzieller Bestandteil meines Lebens. Sie begleitet mich nahezu durch den gesamten Tag. Sei es direkt nach dem Aufwachen als Motivationsschub, beim Kochen, Lernen oder Schreiben dieses Artikels. Besonders gerne höre ich Musik über meinen Plattenspieler mit dazugehörigen Lautsprecherboxen. Ohne meine Kabel könnte ich wohl keinen Ton meiner Platten hören. Und ohne Kupfer würden auch meine Lautsprecherkabel nicht funktionieren. Denn dieser Rohstoff ist essenzieller Bestandteil meiner Kabel aber zum Beispiel auch in unseren Handys. Kupfer wird vor allem in Afrika und Lateinamerika abgebaut. Somit ist auch Kupfer essenzieller Bestandteil meines Lebens, ohne das ich nicht meine Platten hören oder mein Handy benutzen könnte.

Essenzieller Bestandteil ist Kupfer auch für viele Arbeiter*innen in den Kupferminen, jedoch nicht wegen ihres Plattenspielers, sondern um ihre Existenzgrundlage zu sichern. Damit diese Arbeiter*innen ihre Existenzgrundlage sichern können, müssen sie teils unter gefährlichen und gesundheitsschädlichen Bedingungen arbeiten. Darüber hinaus wird gegen Umweltstandards verstoßen.

Die Kupfermine Tintaya/Antapaccay im Süden Perus kam 2013 in die internationale Presse, weil aufgrund von Umweltverschmutzungen nicht nur das Wasser eine erhöhte Konzentration von Schwermetallen aufwies, sondern auch das Blut und Urin von Anwohner*innen. Auch der Hamburger Kupferproduzent Aurubis gab 2013 gegenüber dem ZDF” an, ebenfalls Kupfer aus dieser Mine über den Schweizer Zulieferer Glencore Xstrata zu beziehen.

Der Konsum in unserer Gesellschaft hängt maßgeblich von Importen aus dem Ausland ab. Dies ist mittlerweile allgemein bekannt. Dass dieser Import oft unter der Verletzung von Menschenrechten oder Umweltstandards erfolgt hingegen weniger.

Mir stellt sich dabei die Frage, welche Kosten in meinen Lautsprecherkabeln eigentlich inbegriffen sind und welche nicht. Wird den Arbeiter*innen in Peru ein fairer Lohn ausgezahlt und ihnen gute Arbeitsbedingungen garantiert, indem ich den Kaufpreis meiner Kabel zahle? Oder konsumiere ich auf Kosten von Umwelt und Menschenrechten? Wer trägt eigentlich diese Kosten und wer wird für die Verletzung von Menschenrechten und Umweltstandards haftbar gemacht?

Lieferkette: Konsumieren auf den Kosten anderer

Laut der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) machen globale Wertschöpfungsketten 80 Prozent des Welthandels aus und sind Existenzgrundlage für über 450 Millionen Menschen. Dabei müssen weltweit 152 Millionen Kinder unter Bedingungen arbeiten, die sie ihrer elementaren Rechte und Chancen berauben. Deutschland nimmt im Kontext des globalen Lieferkettennetzwerks eine wichtige Position ein, denn nach den USA und China ist Deutschland das drittgrößte Importland.

Dieses Konsumverhalten in sogenannten high income countries beruht vor allem auf den hohen Importen dieser. Dabei werden die Folgen, die mit diesem Konsum einhergehen, jedoch außer Acht gelassen. Der Soziologe Stephan Lessenich beschreibt dieses Verhalten als „Verlagerung von innen, was von außen kommt“ und fasst dies mit dem Begriff Externalisierung zusammen.

Transnationale Unternehmen mit einem Sitz in high income countries importieren vor allem Rohstoffe aus low und middle income countries und verarbeiten diese anschließend weiter. Die Weltbank bezeichnet Länder mit einem Brutto Nationaleinkommen von unter $ 1 035 als low income country, wohingegen Länder mit einem zwischen $ 1 036 und $ 12 615 middle income country angesehen werden. Mit diesem Import aus diesen Ländern gehen aber viele negative ökonomische, soziale und ökologische Folgen einher, die wir als Externalisierungsgesellschaft nach außen in die low und middle income countries verlagern.

Deutsche Unternehmen fördern lokale Korruption

Transnationale Unternehmen unterstützen durch den Import von Rohstoffen lokal vorherrschende korrupte Strukturen, was zur Folge hat, dass durch unwürdige Arbeitsbedingungen die allgemeine soziale Lage verschlechtert und die staatliche Produktivität beeinträchtigt werden. Zudem entstehen durch einseitige Investitionen von transnationalen Unternehmen eine Abhängigkeit zwischen ihnen und lowsowie middle income countries. Denn durch die gezielte Einbindung von Ländern in die Wirtschaftsstrategien von Unternehmen werden z.B. Arbeitsplätze an neue Investitionen durch diese Unternehmen gekoppelt. Damit wird die ökonomische Freiheit deutlich eingeschränkt. Darüber hinaus führt die Missachtung von ökologischen Standards zu einer massiven Veränderung für die lokale Tier- und Pflanzenwelt, womit der globale Klimawandel verschärft wird. Diese Folgen sind uns jedoch nur sehr selten bewusst und nur unser eigener Konsum steht im Fokus

Polizei wird unter Vertrag genommen, um Proteste niederzuschlagen

Auch im Fall von Aurubis lassen sich viele negative Auswirkungen feststellen. So wurden Proteste der Bevölkerung gegen Korruption, mangelnde Transparenz, Umweltverschmutzung und gesundheitliche Schäden bei Menschen und Tieren im Umkreis der Mine gewaltsam von der Polizei niedergeschlagen. Der peruanische Aktivist Jamie Borda hat laut „Deutschlandfunk“ das Gespräch mit Aurubis-Vertreter*innen gesucht und dabei die lokal vorherrschende Korruption angeprangert. Der Schweizer Zulieferer hat die Polizei vor Ort unter Vertrag genommen, damit jeglicher Protest gegen das Bergbauunternehmen gewaltsam unterdrückt werden konnte. Damit werden die miserablen Arbeitsbedingungen von Arbeiter*innen, die Umweltverschmutzung durch Schwermetalle und auch die Versammlungsfreiheit der Bevölkerung eingeschränkt.

Internationale Richtlinien bloßer Appell an die Freiwilligkeit

Dabei bestehen bereits in internationalen Menschenrechtskatalogen wie der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, dem UN-Zivilpakt, dem UN-Sozialpakt oder den Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte internationale Richtlinien, an denen Staaten sich orientieren sollen. Diese stellen einen multilateralen Konsens der Internationalen Staatengemeinschaft über rechtliche Handlungsweisungen dar, dem sogenannten werdenden Völkergewohnheitsrecht. Also letztendlich die einheitlichen Richtlinien, um einheitliche Menschenrechte und Umweltstandards auf internationaler Ebene verwirklichen zu können. Das Problem ist nur, dass dieser Konsens von einer freiwilligen Umsetzung und Ratifizierung seitens der Staaten bedarf und nicht als Standard angesehen werden kann.

Unternehmen nicht verantwortlich für Menschenrechte

Weiterhin erweisen sich sogenannte Governance Gaps als Problem für die internationale Haftbarkeit von Menschenrechtsverletzungen. Als Governance Gap wird das Fehlen von Regeln in Verbindung mit der mangelnden Durchsetzung zwischen Unternehmensmacht und Unternehmensverantwortung bezeichnet. Aus völkerrechtlicher Sicht sind Unternehmen nur ein Zusammenschluss von privaten Personen und damit nicht wie Staaten Adressat*innen von Regelungen zur Einhaltung der Menschenrechte. In der Konsequenz heißt es, dass transnationale Unternehmen für die Einhaltung der Menschenrechte schlicht nicht zuständig sind. Im Vorhinein bestehen damit kaum Möglichkeiten, Opfern von Menschenrechtsverletzungen Schadensersatz zu gewähren.

Wie Geschädigte momentan noch gegen Unternehmen vorgehen können

Aus völkerrechtlicher Perspektive kommt der Rom II-Verordnung Privatrecht eine besondere Bedeutung zu. In ihr werden seit 2009 das Internationale Privatrecht bei außervertraglichen Schuldverhältnissen geregelt. Mit der Verordnung wird also geregelt, welches Recht bei Konflikten von Gesetzen auf internationaler Ebene angewendet wird. So greift nach der sogenannten Tatortregelung der Rom II-Verordnung das Deliktsrecht am Ort der Rechtsgutverletzung. Im Zusammenhang mit Menschenrechtsverletzungen kann damit in transnationalen Lieferketten nur das Recht angewendet werden, welches im Land der Menschenrechtsverletzung gilt. In der Praxis hat das die Folge, dass typischerweise ausländisches Deliktsrecht angewandt wird.

Ausnahmsweise kann deutsches Deliktsrecht angewandt werden, wenn das ausländische Recht einen dermaßen unverhältnismäßigen Menschenrechtsschutz vorsieht, als dass dieser nicht mit grundlegenden deutschen Wertevorstellungen vereinbar ist.

Anwendung von deutschem Recht nur selten möglich

Diese Möglichkeit für Geschädigte, sich auf Anspruchsgrundlagen deutschen Sachrechts zu berufen, ist hingegen nur unter einer Bedingung möglich. Nämlich dann, wenn Vertragsbeziehungen zur deutschen Muttergesellschaft und vertragscharakteristischen Leistungen vorliegen. Dies ist in der Praxis leider nur sehr selten der Fall. Arbeiter*innen in low income countries kennen oft nur das Unternehmen, für welches sie arbeiten und nicht die Zuliefer*innen, mit denen deutsche Unternehmen letztendlich zusammenarbeiten.

Damit ist festzuhalten, dass eine deliktsrechtliche Haftung der Muttergesellschaft für Menschenrechtsverletzungen auf Ebene der Tochtergesellschaften oder Zulieferer*innen kaum herleitbar ist.

Kein Schadensersatz für Geschädigte

Wenn in Deutschland Verbrechen gegen Leben, Gesundheit oder Freiheit begangen werden, würde die Schadensersatzpflicht nach § 823 BGB greifen. Jedoch sind Menschrechte rechtlich gesehen ein viel zu allgemeiner Begriff und adressieren nur Staaten. Aus diesem Grund werden sie weder zu den „sonstigen Rechten“ in § 823 Abs. 1 BGB noch zu den „Schutzgesetzen“ im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB gezählt. Opfer von Menschenrechtsverletzungen können sich somit nur schwer auf eine Schadensersatzpflicht nach deutschem Recht berufen.

“… weniger als 50 Prozent [hielten] die empfohlenen Standards ein.”

Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Selbstverpflichtungen zur Einhaltung von Menschenrechten unzureichend

Corporate Social Responsibility (CSR) beschreibt die soziale und ökologische Verantwortung von Unternehmen, die damit ihren Beitrag zu einer gerechteren Globalisierung unter sozialen und ökologischen Gesichtspunkten leisten. Diese Verantwortung basiert jedoch auf reiner Freiwilligkeit und stellt keine Garantie für die Gewährleistung von Menschenrechten oder Umweltstandards dar.

Der Nationale Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) wurde von 2016 von der deutschen Bundesregierung verabschiedet und zielt auf ebendiese Freiwilligkeit von Unternehmen zur Umsetzung von Leitprinzipen für Wirtschaft und Menschenrechte ab. Bei beiden Befragungen, welche seit Einführung des Aktionsplans durchgeführt wurden, nahmen laut dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung nur rund 20 Prozent der befragten Unternehmen teil. Davon hielten deutlich weniger als 50 Prozent die empfohlenen Standards ein. Eine freiwillige Selbstverpflichtung zur Wahrung der Menschenrechte ist somit vollkommen unzureichend.

Menschenrechte bei Aurubis

Der Kupferproduzent Aurubis hat laut eigenen Angaben internationale Menschenrechtsnormen in seiner Unternehmenspolitik verankert und mit einer Klausel mittlerweile sogar in seine Lieferverträge aufgenommen. In seinem Nachhaltigkeitsbericht verfügt das Unternehmen seit 2013 über eine Menschenrechtsklausel in 75 Prozent aller Lieferverträge. Wie die Menschenrechtsklausel in den Lieferverträgen genau aussieht und wie genau verschiedene international anerkannte Leitlinien von UN, OECD und ILO von den Vertragspartner*innen umgesetzt werden sollen, bleibt jedoch im Nachhaltigkeitsbericht für den Rohstoff Kupfer unbeantwortet. Aurubis hätte jedoch das Potenzial, eine vorreitende Rolle in der globalen Kupferproduktion einzunehmen, auch wenn das Unternehmen mit weniger als vier Prozent der globalen Produktion als gering einschätzt. Die Höhe der importierten Kupferkonzentrate belief sich 2015 immerhin auf 2,3 Millionen Tonnen Kupfer und machte das Unternehmen damit zum europaweit größten Kupferproduzenten.

Der Versuch internationale Menschenrechtsstandards zu etablieren

Aurubis sieht zudem einen zweistufigen Screening Prozess vor, der vor dem Vertragsabschluss mit neuen Unternehmen durchgeführt wird. Dieses Business Partner Screening erfolge durch eine speziell konfigurierte Software und umfasse mehrere Prüfschritte. Jedoch sieht dieser Prozess nur weitere Nachforschungen vor, wenn eine Internet-Recherche ein „erhöhtes Risiko“ bei potenziellen Zuliefer*innen festgestellt hat. Es bestehen damit keine etablierten Strukturen für Konsultationen mit der Zivilgesellschaft vor Ort in der Kupfermine, bei der etwaige Risiken frühzeitig erkannt werden könnten. Eine wirkliche Compliance-Pflicht ist dies nicht.

Nutzloses Beschwerdesystem

Zudem sieht das Unternehmen ein Beschwerdemechanismus vor. Ein sogenanntes Compliance-Portal soll es externen und unparteiischen Rechtsanwält*innen ermöglichen vertraulich Menschenrechtsverletzungen zu melden, welche anschließend intern behandelt werden könne. Wie die interne Behandlung aussieht, wird jedoch nicht ausgeführt. Darüber hinaus ist dieses Portal nur auf Deutsch und Englisch ausgelegt und nicht auf Spanisch für die lateinamerikanischen Länder, aus denen Aurubis hauptsächlich seine Rohstoffe bezieht. Gleichzeitig tut sich das Problem auf, dass Aurubis keine Auskunft darüber hat, aus welchen Minen das Unternehmen sein Kupfer bezieht, sondern nur die Zuliefer*innen. Damit wird es den Anwält*innen fast unmöglich gemacht, Beschwerden einzureichen und Defizite bei der Überprüfung der Mine tun sich auf. Aurubis verweist in diesem Zusammenhang lediglich auf die Verantwortung seiner direkt vor Ort tätigen Vertragspartner*innen, die als lokale Unternehmen die Hauptverantwortung für die Einhaltung von Menschenrechten tragen.

Wie eine juristische Haftbarkeit von Unternehmen aussehen könnte

Im Zusammenhang der Haftbarkeit wird zwischen einseitigen und zweiseitigen Haftungsmodellen unterschieden. Die einseitigen Haftungsmodellen sind vor allem an CSR angelehnt. Eine Begründung für eine Haftung für Menschenrechte kann darin liegen, dass sich Unternehmen freiwillig zum Einhalten dieser verpflichten und in ihrem Marketingkonzept einarbeiten. Zudem können ausgearbeitete Maßnahmen frühzeitig Gesetzesverstöße verhindern. Zweiseitige Haftungsmodelle setzen fordern eine konkrete Unternehmenshaftung, indem die Muttergesellschaft haftet, sofern Verbrechen durch die Tochtergesellschaft begangen werden.

Diese beiden Ansätze lassen sich in drei Forderungen kombinieren. Erstens, auf Basis einer konzernübergreifenden Pflicht von Muttergesellschaften bei der Auswahl von ausländischen Tochtergesellschaften und Zuliefer*innen deren humanitäre Situation prüfen und ein Haftungssystem etablieren. Zweitens, einen direkten Durchgriff für Deliktsgläubiger*innen der ausländischen Gesellschaften auf Gesellschafter*innen in Deutschland gewähren. Drittens, Opfern von Menschenrechtsverletzungen abseits der Tatortregelung in Form einer „Ausweichklausel“ ein Bestimmungsrecht einräumen, sodass ein Prozess unter dem Gesichtspunkt des Opferschutzes durchgeführt werden kann.

Gesetzliche Sorgfaltspflicht zur Menschenrechtsverwirklichung

Anfang Februar dieses Jahr legte das Bundesarbeitsministerium das „Gesetz über unternehmerische Sorgfaltspflichten in Lieferketten“ vor, wobei das Ergebnismonitoring des Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte als Grundlage diente. Dieses soll der internationalen Verbesserung der Menschenrechtslage dienen, indem es Anforderungen an ein verantwortliches Management von Lieferketten für bestimmte Unternehmen festlegt. Am 3. März hat das Bundeskabinett dieses Gesetz beschlossen, was nun zur Folge hat, dass der Bundestag in den kommenden Monaten über das Gesetz entscheidet.

Das Gesetz soll ab 2023 zuerst ab einer Unternehmensgröße von 3000 Mitarbeiter*innen und ein Jahr später ab einer Größe von 1000 Beschäftigten gelten. Unternehmen werden verpflichtet, ihrer Verantwortung in der Lieferkette in Bezug auf die Achtung international anerkannter Menschenrechte durch die Umsetzung menschenrechtliche Sorgfaltspflichten nachzukommen.

Utopie bereits Realität?

Die Rechte der von Unternehmensaktivitäten betroffenen Menschen in den Lieferketten sollen damit einerseits gestärkt werden, zum anderen aber auch die Interessen der Unternehmen an Rechtssicherheit und fairen Wettbewerbsbedingungen nicht außer Acht gelassen werden. Die Elemente der menschenrechtlichen Sorgfalt sollen zunächst für die Unternehmen selbst sowie für unmittelbare Zulieferer gelten. Bußgelder und andere Sanktionen wie ein Ausschluss von der öffentlichen Auftragsvergabe können durch die Kontrollinstanz dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle erteilt werden.

Damit wäre doch eine Utopie erreicht und Menschenrechtsstandards würden damit doch garantiert werden, oder? Leider nein, denn leider werden immer noch nicht alle Tochtergesellschaften erfasst und die Wahrscheinlichkeit, dass auch weiterhin Menschenrechte verletzt werden ist immer noch sehr hoch.

“Während im Monitoring-Prozess noch von über 7000 Unternehmen die Rede war, werden es 2024 werden insgesamt nur 2800 Unternehmen sein, die das Gesetz erfasst.”

Initiative Lieferkettengesetz

Sorgfaltspflichtengesetz unzureichend

Die gesamte Lieferkette wird immer noch nicht in ihrer gesamten Komplexität betrachtet, sondern erstmal nur die deutschen Unternehmen selbst und die unmittelbaren Zuliefer*innen. Die mittelbaren Zuliefer*innen – also die Unternehmen in low income countries, in denen die meisten Menschenrechtsverletzungen passieren, werden hingegen kaum in den Fokus genommen. Im Gesetz heißt es einfach, dass sie „analysiert und adressiert werden [müssen], wenn Unternehmen darüber substantiiert Kenntnis erlangen“. So beklagt die Initiative Lieferkettengesetz, dass Unternehmen somit erst dann aktiv würden, wenn sie jemand anderes konkret auf eine mögliche Verletzung hinweise oder der Schaden schon entstanden sei.

Weiterhin prangert die Initiative Lieferkettengesetz an, dass eine Haftung im Zusammenhang mit dem Zivilrecht vollständig fehle und damit die Möglichkeit, für Opfer von Menschenrechtsverletzungen vor deutschen Gerichten Schadensersatz einzuklagen. Zudem werde der gesamte unternehmerische Mittelstand ausgeklammert. Während im Monitoring-Prozess von noch über 7000 Unternehmen die Rede war, werden es 2024 insgesamt nur 2800 Unternehmen sein, die das Gesetz erfasst.

War da nicht noch irgendwas mit Umwelt?!

Im Zusammenhang von Haftbarkeit in transnationalen Lieferketten wird die ökologische Perspektive oft einfach vergessen. Laut geltendem Völkerrecht werden Verbrechen gegen die Umwelt strafrechtlich nicht verfolgt. Somit kann auch kein Unternehmen für das bloße Verstoßen gegen Umweltstandards bestraft werden. Auch im verabschiedeten „Gesetz über unternehmerische Sorgfaltspflichten in Lieferketten“ heißt es nur, dass das Gesetz den Umweltschutz miteinschließt, sofern Umweltrisiken zu Menschenrechtsverletzungen führen.

Das Sorgfaltspflichtengesetz der Bundesregierung ist ein Exempel dafür, dass Umweltschutz mal wieder mitgedacht wurde, aber mehr auch nicht. Konkrete Maßnahmen folgen (mal wieder) nicht. Die Umwelt spielt erst dann eine Rolle, wenn die nicht ordnungsgemäß entsorgten Chemikalien im Trinkwasser landen, die ersten Menschen daran sterben und dies dann auch nachweisbar ist. Damit ist das Sorgfaltspflichtengesetz ein bloßer Papiertiger, welcher gar nichts für den Umweltschutz unternimmt.

Da Verbrechen gegen die Umwelt völkerrechtlich nicht strafbar sind, fordern Umweltschutzbewegungen wie Extinction Rebellion oder Initiativen wie End Ecocide die internationale Anerkennung eines sogenannten Ökozids, also die Anerkennung eines Verbrechens, welches eine massive Umweltzerstörung einschließt. Dass dies passiert, ist jedoch sehr unwahrscheinlich.

Die Verwirklichung von Menschenrechten weiterhin eine Utopie

Dass transnationale Unternehmen für Verbrechen gegen Menschenrechte und Umwelt haftbar gemacht und zur Verantwortung gezogen werden, bleibt somit leider noch eine Utopie. Zumindest vorerst. NGOs und Initiativen wie die Initiative Lieferkettengesetz versuchen weiterhin Druck auf die Politik auszuüben und formulieren teils konkrete Forderungen, sodass die Einhaltung von Menschenrechten nicht mehr von Freiwilligkeit abhängig ist. Bestrebungen wie das Sorgfaltspflichtengesetz in Deutschland gibt und gab es bereits in Frankreich, der Schweiz, den Niederlanden und den USA, die teils erfolgreich waren und weitergehen als das deutsche Gesetz. Auch auf EU-Ebene soll ein Lieferkettengesetz verabschiedet werden, welches dann Eingang in den Rechtssystemen der Mitgliedsstaaten finden soll.

Die Frage bleibt…

Zwar ist eine universelle Gewährleistung von Menschenrechten und Umweltstandards noch eine Utopie, jedoch auch eine, die vielleicht sogar zeitnah erreicht werden könnte. Es fehlt noch an der nötigen Konsequenz, Richtlinien zum Umweltschutz und Menschenrechten über die gesamte Lieferkette umzusetzen.

Für mich als Konsument heißt es, dass ich mir leider nicht sicher sein kann, wer die gesamten Kosten meines Konsums trägt. Somit weiß ich nicht, ob Menschenrechte oder Umweltstandards bei der Kupferproduktion meiner Lautsprecherkabel verletzt wurden. Immerhin kann ich beim Einkaufen auf bestimmte Firmen oder das Herkunftsland meiner Produkte Rücksicht nehmen. Jedoch kann ich dies auch nur bis zu einem gewissen Punkt darauf achten, wie ich konsumiere und welche Kosten meines Konsums ich tatsächlich externalisiere. Ich kann damit leider nicht immer vermeiden, dass ich die „Nike-Shorts mit eingenähter Kinderhand“ trage, wie es gerade von KIZ aus meinem Lautsprecher kommt. Genauso wenig, woher das Kupfer für meine Lautsprecherkabel oder mein Handy kommt.

Weitergehende Informationen sind dem Artikel hier beigefügt:

Bilder mit freundlicher Genehmigung von Julian Dercho und Dietmar Rabich
Julian Dercho Verfasst von:

Irgendwas mit Politik und Medien