Globale Probleme gemeinsam oder gar nicht zu lösen

Ex-Bundespräsident Christian Wulffs Ausspruch „Der Islam gehört zu Deutschland“  löste seinerzeit wie heute Kontroversen aus. Die Debatte ist hinsichtlich des Flüchtlingszustroms so aktuell wie nie. In einem Vortrag im Haus Rissen, dem Bildungsinstitut für globale Fragen der Politik und Wirtschaft, am 3. Mai, forderte Wulff transnationale Lösungen für globale Probleme wie den Flüchtlingszustrom.

Gewaltige Veränderungen verunsichern

Dass es zur Zeit mehr Flüchtlinge gebe als nach 1945 sei vor einigen Jahren undenkbar gewesen, ebenso wie die Grenzverschiebung in der Ukraine, der globale Terror oder die Digitalisierung- zu viele Veränderungen in zu kurzer Zeit schaffe bei vielen Menschen Verunsicherung und Veränderungsmüdigkeit. Dabei sei Deutschland ein „enorm starkes Land“ und ein Hort der Stabilität, auf das es stolz zu sein gilt. In einer Umfrage in 50 Ländern mit der Frage, in welchem Land man gerne leben wolle, sei Deutschland insgesamt auf Platz eins.

Besonders jetzt in Krisensituationen sei es wichtig, Freundschaften zu Polen, Österreich und der Türkei trotz Differenzen aufrecht zu erhalten und ihren Weg zu beeinflussen. Die Solidarität in der EU bröckle, es heiße nicht mehr „Wir wollen ja aber können nicht“ sondern „wir könnten ja aber wollen nicht.“ Deutschland sei auch wegen der EU so stark, betonte Wulff, und dass die EU mehr in Gefahr sei als jemals zuvor. Abgrenzung und Abschottung der Nationalstaaten seien jedoch keine Lösung, stattdessen bräuchte die EU einen neuen Anfang, auch mit deutscher Ehrlichkeit. Wir seien „schnell dabei Forderungen zu stellen“, hätten aber Schwierigkeit, Dankbarkeit zu artikulieren. Probleme wie den Billiglohnsektor, Terrorismus, kriegerische Auseinandersetzungen oder der Schutz der europäischen Außengrenzen seien nur „gemeinsam mit anderen Staaten oder aber gar nicht“ zu lösen.

„Wir verändern Muslime mehr, als die Muslime uns.“

Von den Deutschen fordert Wulff Offenheit für Migranten, denn nur so könne man anderswo Toleranz erwarten. Wir bräuchten eine Kombination von Weltoffenheit und klaren Regeln, die keinen Platz für Extremisten lasse. Der Mittelweg zwischen falsch verstandenem Gutmenschentum und der Abschottung müsse gefunden werden, denn multikulturelle Demokratien seien ein erfolgreiches Zukunftsmodell. Deutschland sei seit Jahrhunderten ein Migrationsland. Auch wenn es viele Probleme gäbe, solle Deutschland auch die Erfolge sehen. „Wir verändern Muslime mehr als die Muslime uns“, bringt Wulff seine Position auf den Punkt. Man müsse sich entscheiden, wo die Grenzen verlaufen: Seien es die Christen mit den Juden und den Muslime gegen die, die gegen unsere Art zu leben sind oder die Christen mit den Juden gegen die Muslime? Der Maßstab unseres Handelns müsse sein, dass unsere Kinder später sagen, wir hätten richtig gehandelt.

Foto: Julika Stenzel vom Haus Rissen

Bild mit freundlicher Genehmigung von Julika Stenzel// HAUS RISSEN
Sofia Westholt Verfasst von:

19 Jahre alt, Freiwilligendienstleistende in Polen und Weltenbummlerin. Redakteurin beim FREIHAFEN.