Wie Mainstream und Filmindustrie sich gegenseitig kaputt machen

Mainstream – ein oft sehr negativ konnotiertes Wort. Larissa hat hier im FREIHAFEN im ersten Artikel der Mainstream-Reihe schon darauf hingewiesen, dass Mainstream jedoch nicht per se schlecht ist. Wie ist das bei Filmen? Meint Mainstream bei Filmen etwas Negatives? Oder sind die Filme des Mainstreams sogar „schlecht“? Wollen wir das Ganze einmal aufrollen.

3 Gründe, warum Filme in den Mainstream geraten

Schicke Anzüge, gespannte Stille, die Hälfte des Saals zückt das Handy für DIE Momentaufnahme, dann plötzlich tosender Jubel und nicht endender Applaus. Bilder, die man vielleicht auf einer Hochzeit erwartet. Doch genau so spielten sich Szenen in Kinos weltweit ab, in denen der Film „Minions – Auf der Suche nach dem Miniboss“ lief. Und dabei ist der Film weder sehr aufwendig produziert, noch hat er eine stark beeindruckende Story. Der Film ist das „Sequel zum Prequel“, die Story zwischen „Minions“ und „Ich – Einfach unverbesserlich 1“, der Aufstieg von klein Gru, der am Ende des ersten Minions-Films in den Vordergrund rückt und in „Ich – Einfach unverbesserlich“ dann die erwachsene Hauptfigur ist.

1. Soziale Medien

Doch warum solche Szenen? Das lag nicht daran, dass der Film ein cineastisches Meisterwerk war – eher das Gegenteil ist der Fall. Nein, dafür verantwortlich ist der #GentleMinion-Trend auf TikTok. Junge Menschen filmen sich dabei, wie sie mit Anzug und Abendkleid den Film schauen, danach wird das jubelnde Kino auf TikTok hochgeladen. Zugegeben – ich war einer der Jugendlichen. Zwar habe ich nicht gefilmt, doch saß ich im Kino mit Anzug und habe mit meinen Freunden bei verschiedensten Szenen mitgejubelt, die in keiner Weise den Applaus Wert gewesen wären. Und ich muss auch gestehen, dass der Abend mir sehr lustig in Erinnerung geblieben ist.

Grund Nummer eins ist also ein Trend in den Sozialen Medien.

2. Franchise

Grund Nummer zwei, der häufigste dieser Gründe, ist ein großes Franchise im Hintergrund.

Marvel, Disney, Warner Brothers, Paramount, you name it. Diese großen Franchises können ihre Filme vor allem durch viel und gut sichtbare Werbung in den Mainstream schieben. Meist stehen hinter den großen Franchises auch teure Sets, eine aufwendige Postproduktion und ein vollumfänglich beeindruckendes Zuschauererlebnis. Auch hier müssen die Filme nicht unbedingt im höchsten Regal der Regiekunst liegen, allein die große öffentliche Präsenz löst den Hype um den Film aus. Es wird ein Gefühl von „den Film darf ich nicht verpassen“ kreiert. Dabei dürfte man einen solchen Film auch gut und gerne mal verpassen.

Der Hype wird aber auch dadurch geschaffen, dass dem Zuschauer Hoffnung auf mehr gemacht wird. Die Aussicht auf Fortsetzungen, das Warten auf den nächsten Teil der Geschichte und rätselhafte Cliffhanger lösen im Kinobesucher:innen einen unerklärbaren Drang nach mehr aus. So kann sichergestellt werden, dass der nächste Film noch mehr Zuschauer als der erste erreicht. Doch leider lässt auch mit fortschreitenden Fortsetzungen oft die Qualität der Filme nach, was sich wiederum negativ auf die gesamte Reihe auswirkt.

3. Schauspieler:innen

Ein dritter, im Gegensatz zu den anderen beiden eher untergeordneter Grund, sind die Schauspieler:innen.

Es gibt Filme, bei denen nicht basierend auf einer Story die Schauspieler:innen ausgesucht werden, sondern die Schauspieler:innen vor der Story schon feststehen. „Ticket to Paradise“, einer dieser Filme, hat bei IMDb (International Movie Database) sechs von zehn Sternen – und dass obwohl George Clooney und Julia Roberts in den Hauptrollen stehen. Das sind sie aber nicht, weil sie besonders gut auf die ausgeschrieben Charakterbeschreibung passen, sondern weil sie George Clooney und Julia Roberts sind. Und auch in dem Film spielen sie im Endeffekt eher sich selbst anstatt der Rolle von Georgia und David Cotton. Die Menschen strömen aber auch nicht wegen Georgia und David Cotton, sondern wegen George Clooney und Julia Roberts in die Kinos.

Ein Film ist im Mainstream – und dann?

Was mit Filmgenres passiert, die für eine längere Zeit im Mainstream waren, kann man zurzeit an den „Superheldenfilmen“ von Marvel (oder auch DC) erkennen. 2019 gab es einen der größten Kino-Hypes um „Avengers: Endgame“, der Film symbolisiert den Höhepunkt der bis dahin elf Jahre alten Avengers-Reihe. Dachten zumindest viele. Doch seitdem werden weiterhin Spin-offs, Sequels und Prequels zu allen nur erdenklichen Avengers produziert – zum Leidwesen aller Marvel-Fans.

Dieses Szenario beschreibt die Mainstream-Filmindustrie der letzten Jahre sehr treffend. Trifft ein Film den Zeitgeist und gerät in den Hype, dann wird es auch einen zweiten Teil geben. Und einen dritten. Und einen vierten, der aber vor dem ersten spielt. Und der fünfte erzählt dann die Geschichte der Nebenrolle. Und, so traurig wie es ist, geht es im Endeffekt wieder nur um Profit. Profit auf Kosten der guten Drehbücher.

Denn diese guten Ideen einzigartiger Regisseur:innen werden nicht mehr genug wertgeschätzt. Für manche Teile kann es einfach keinen zweiten Teil geben, der die Story des ersten in welcher Form auch immer aufgreifen kann. Manche Geschichten sind in einem Film erklärt – und auch die Perspektive der Nebenrolle macht keinen guten zweiten Film.

Aus Superheld:innen werden Horrorclowns

Wenn dann aber der 43ste Avengers Spin-off in die Kinos kommt, gibt es vielleicht nicht mehr den Anklang, den es noch fünf Jahre zuvor gab. Was dann passiert, kann man als langsamen Untergang eines Genres beschreiben.

Die Filmindustrie reizt jedes Genre so lange aus, bis sie nicht mehr genug Profit aus den Filmen schlagen können. Dann wird der Fokus auf ein anderes Genre gelegt, was dem Vorigen zwar irgendwie ähnlich ist, aber vielleicht aus anderen Perspektiven mit anderem Fokus. Zu beobachten ist das aktuell bei Horrorfilmen. Die Sparte „Horror“ wird zurzeit immer populärer – nicht zum ersten Mal, aber doch auffällig in den letzten Jahren – das gilt für Filme, für PC-Games oder für Kostüme. Und da lassen sich die großen Franchises natürlich nicht zweimal bitten und zerren nun dieses Genre in den Mainstream. Prequels und Spin-offs von allen nur vorstellbaren Horrorheld:innen werden für den Zuschauer auf die Leinwand gebracht.

Der Mainstream wird also nicht mehr durch einen plötzlichen Hype um einen neuen Film ausgelöst, er wird von der Filmindustrie „gelenkt“.  

Doch sind Mainstream-Filme nun negativ?

Das Schöne an Kultur ist, dass jede:r sich eine eigene Meinung zu den verschiedensten Formaten bilden kann. So können auch Filme immer subjektiv bewertet werden. Aber natürlich gibt es bei Filmen, wie in allen anderen Sparten der Kultur, auch „objektiv gute“ Filme. Nur leider landen die viel zu selten im Mainstream der heutigen Zeit, schlicht und einfach, weil oft keine großen Produktionsstudios dahinterstehen.

Spannend zu beobachten, wird auch, welche Rolle die Trends in Sozialen Medien in den nächsten Jahren spielen werden. Filmwerbung auf Instagram gibt es schon seit vielen Jahren, dass Hashtags bei TikTok aber so einen Hype um einen Film auslösen können, ist neu. Wie bei so vielen TikTok-Trends muss das allerdings nicht nur positiv sein.

Aber natürlich ist das Problem auch etwas überspitzt dargestellt, es gibt viele Genres, die seit Ewigkeiten und auch die nächsten Jahrzehnte einen wichtigen Teil der Filmindustrie einnehmen (werden). Doch vor allem bei oben genannten Superhelden-Filmen ist die Entwicklung des Mainstreams eben sehr auffällig (und ein wenig besorgniserregend).

Also nein, diese Filme sind nicht „schlecht“. Und auch der Fakt, dass sie im Mainstream schwimmen, ist nicht automatisch negativ. Aber ihr Weg dorthin und der Umgang mit diesen erfolgreichen Genres wirkt sich negativ auf den Mainstream der kommenden Jahre aus. Vor allem aber schadet der Mainstream der heutigen Zeit der Abwechslung vor den TV-Geräten und in den Kinos, die von einer großen Zielgruppe leben. Doch ohne wechselnde Filme im Hype gibt es auch keine abwechslungsreiche Zielgruppe. Und ohne abwechslungsreiche Zielgruppe sinkt auch das Interesse an Film und Kino.

Bild mit freundlicher Genehmigung von Jakob Holtz
Jakob Holtz Verfasst von: