Ein Interview mit Jürgen Foß, Erschaffer einer rettenden Insel für Tiere inmitten Deutschlands.
Eine ganzheitliche Auseinandersetzung mit einer Thematik ist wichtig. Dieser Artikel hat sich bereits mit der menschlichen Bedrohung für frei in der Wildnis lebende Tiere befasst. Eine Freiheit, die die sogenannten „Nutztiere“ größtenteils nie erfahren. In der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung des Bundestags (TierSchNutztV) ist als Mindeststandard für ein ausgewachsenes Schwein 1m² angeführt. Ähnlich viel Platz haben neun Legehennen. Das entspricht weniger als einer DIN A4-Seite pro Tier.
Die Gesellschaft nutzt Tiere wie Milchkühe, Schweine und Hühner für die eigenen Zwecke, scheinbar selbstverständlich. In Deutschland verdient die fleischverarbeitende Industrie nach Angaben von Statista jährlich mehr als 40 Milliarden Euro. Ebenso finden sich auf dem Textilmarkt nach wie vor Käufer für Lederhandtaschen, Mäntel mit Pelzkragen oder Teppiche aus Tierfell. Das Testen von Kosmetikprodukten und Medikamenten an Tieren, ist aus der Forschung nicht wegzudenken. Dabei denkt offenbar eine Mehrheit nicht daran, wie es den Tieren damit geht.
Tanja Günther und Jürgen Foß, Stiftungsvorstand und Gründer*in, sowie ihr Team im „Land der Tiere“, machen genau das. Gerade mal eine Autostunde von Hamburg Richtung Berlin, im Dreiländereck von Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und Niedersachsen, hat die Stiftung Tiernothilfe mit vielen freiwilligen Helfer*innen eine Oase für gerettete Tiere geschaffen. Auf einem Gelände von rund 130 Fußballfeldern sollen die Bedürfnisse der tierischen Bewohner an erster Stelle stehen.
Erfahrt in meinem Gespräch mit Jürgen mehr über das Projekt, die dahinterstehende Vision, die bewegenden Geschichten von Anni und Eddie und vieles mehr…
Freihafen (Zoe): Erstmal hallo von meiner Seite, schön dass du da bist.
Jürgen: Hallo, vielen Dank.
Freihafen: Wir vom FREIHAFEN beschäftigen uns ja momentan mit dem großen Thema Utopie und wie wir uns die Zukunft vorstellen. Natürlich ist das für jeden sehr individuell. Ich persönlich habe mich im Rahmen der Themenreihe mit dem Mensch-Tier-Verhältnis beschäftigt, dem IST-Zustand, aber auch damit, was wir zukünftig verändern sollten, können, vielleicht müssen. Während meiner Recherche bin ich auf das „Land der Tiere“ gestoßen und habe festgestellt, dass ihr in Bezug auf die Tiere bereits Einiges anders macht. Du hast das „Land der Tiere“ gemeinsam mit Tanja 2014 gegründet. Magst du uns erzählen, was sich dahinter verbirgt?
Jürgen: Ja, das Land der Tiere, du hast es gesagt, gibt es seit 2014. Es ist ein, ich würde sagen Tierschutzzentrum trifft es am besten. Das heißt wir geben hier sehr vielen Tieren ein endgültiges Zuhause in einer möglichst selbstbestimmten Umgebung und laden auch die Öffentlichkeit ein, hier hinzukommen. Wir haben also Öffnungszeiten, laden Schulklassen ein und bieten Kochkurse an, um mit diesem Projekt auch Öffentlichkeits-arbeit für die Tiere zu machen. Dabei kümmern wir uns hauptsächlich um die sogenannten „Nutztiere“. Das heißt bei uns findest du zwar auch ein paar Hunde und Katzen, aber vor allem Schweine, Puten, Hühner, Schafe, Ziegen und so weiter. Das ist eigentlich das „Land der Tiere“. Es befindet sich auf einem ehemaligen Militärgelände, welches zu DDR-Zeiten genutzt wurde und dann 20 Jahre brach lag. Ab 2014 haben wir angefangen, es Stück für Stück umzubauen, haben verschiedene Stallungen geschaffen und mittlerweile leben hier 150 Tiere. Es werden stetig mehr, weil wir das Ganze nur nach und nach aufbauen können. Wir haben hier also noch Reserven, so dass es noch ein bisschen größer werden kann.
Freihafen: Was ist dein persönlicher Weg zum Tierschutz? Gab es vor 2014 ein Schlüsselereignis, welches dich dazu bewegt hat, dich für die Tiere einzusetzen und dies vielleicht sogar zu deinem Beruf zu machen?
Jürgen: Ja…mehrere Schlüsselerlebnisse sogar. Es fing eigentlich schon Anfang der 90er Jahre an. Da bin ich mit Tanja, meiner heutigen Ehefrau, damals Freundin, in ein Tierheim eingezogen…als “Hausmeisterehepaar” (lacht). Wir waren beide noch im Studium und haben das quasi erst nebenher gemacht. Wir waren zuständig für Fundtierrettung, wenn irgendwo ein Hund an der Autobahn angebunden war oder ein Haus brannte und die Polizei uns gerufen hat, alles Mögliche. Zehn Jahre waren wir dort aktiv und sind in dieser Zeit übrigens erst vegetarisch und dann vegan geworden. Denn bis dato hatten wir nur Hund und Katze gerettet, dann erstmals Hühner. Abends fragten wir uns: Ja Moment, wenn ich tagsüber den Hühnern ein tolles Zuhause biete und Ihnen nie wieder etwas passieren soll, wie kann ich sie dann abends essen? Und das war der Tag, als wir aufhörten Tiere zu essen. Schließlich lernten wir ein paar andere Menschen kennen, die selbst vegan lebten. Das war uns damals zuerst sehr suspekt. Aber dann haben wir uns damit beschäftigt und auch die ersten industriellen Stallungen gesehen. Da haben wir gesagt: Nee, das können wir alles nicht mehr machen, das vereinbart sich nicht mehr und sind dann so um die Jahrtausendwende vegan geworden. Im Tierheim, kurz noch zur Erklärung, gab es übrigens auch Schweine, Hühner und Ziegen und die Idee war damals schon, einen Ort zu schaffen, wo insbesondere diesen Tieren geholfen wird. Was wir so spannend fanden, war die Tatsache – und da kommen wir schon ein bisschen aufs Thema – dass Menschen, die sich für Hunde oder Katzen interessierten, ins Tierheim kamen und plötzlich sahen, wie Schweine mit Hunden spielten. Und das irgendwie gar nicht verstanden und dieses Bild gar nicht einordnen konnten.
“Wir haben damals schon keinen Unterschied mehr gemacht, wenn es um ein Schwein oder um einen Hund ging, das war uns irgendwie gleich wichtig.”
Jürgen Foß
Diese Sicht auf die Dinge, diese Erlebnisse, wollten wir mehr Menschen zugänglich machen. Und so ist das „Land der Tiere“ eigentlich entstanden.
Freihafen: Das zielt schon auf meine nächste Frage ab. Habe ich es richtig verstanden, dass ein Ziel von Euch ist, dass alle Tiere von der Gesellschaft mehr als gleichwertig anerkannt werden? Die einen nicht mehr „Freunde der Menschen“ sein sollten, während die anderen genutzt oder konsumiert werden…entspricht das Eurer Philosophie?
Jürgen: Ja…also es gibt ja im Tierschutzbereich, gerade im Nutztiersektor, verschiedene Herangehensweisen, wie man die Menschen erreicht. Viele Vereine machen das, indem sie die schlimmen Bilder aus den Ställen zeigen. Oder aus den Schlachthöfen, egal woher. Eine unglaublich wichtige Arbeit, die wir selbst lange gemacht haben.
“Allerdings zeigt man das Schlimme und nicht wie es anders sein könnte. Wir versuchen im „Land der Tiere“ einen anderen Ansatz zu verfolgen…”
Jürgen Foß
…indem wir sagen: Hey, schaut Euch doch mal die Tiere an. Egal wie sie vorher gelebt haben, sie haben jetzt gerade ein schönes Leben und warum sollten wir ihnen dieses nehmen? Wozu, wenn wir es doch eigentlich nicht müssten? Wir versuchen die Empathie für die Tiere, die jeder Mensch eigentlich von Geburt an in sich trägt, wiederzuerwecken. Indem wir zeigen: Hey, schaut mal hier, das ist das Schwein Anni und Anni hat die und die Geschichte und die und die Persönlichkeit. Ähnlich wie Euer Hund kommt sie an, wenn ich pfeife oder ihren Namen rufe.
Freihafen: Schweine sind ja auch hoch intelligent.
Jürgen: Ja. Wir hoffen, dass das etwas in den Menschen auslöst, weißt du. Uns ist klar, dass die Welt nicht von heute auf morgen vegan werden kann. Aber wir können Schritte dahin machen. Wir können uns als Gesellschaft fragen: Wo wollen wir hin? Was für ein Mensch-Tier-Verhältnis wollen wir eigentlich haben? Wollen wir Tiere ausbeuten und töten, obwohl wir es nicht müssten, weil es auch Alternativen gibt? Oder wollen wir Tiere respektieren als das was sie sind, nämlich individuelle Lebewesen, die ihre eigenen individuellen Rechte haben…zum Beispiel auch ein Recht auf Leben.
Freihafen: Von woher kommen die ganzen Tiere zu Euch?
“Von den 150 Tieren, die im Moment hier leben, kann man fast 150 Geschichten erzählen.”
Jürgen Foß
Jürgen: Ich nenne mal ein paar Beispiele. Es gibt immer wieder Fälle, wo Menschen hinter ihrem Haus irgendwelche Tiere halten und überfordert sind. Sie so schlecht halten, dass die Behörden intervenieren müssen oder die Nachbarn. Und so kommen wir dann irgendwann ins Spiel und versuchen diese Haltungen aufzulösen. Dann gibt es aber auch einfach schlicht Abgabetiere von Menschen, die nicht mehr die Möglichkeit haben ihre Tiere zu versorgen. Und es kommt tatsächlich auch vor, dass wir Tiere aus den industriellen Ställen aufnehmen. Da gibt es verschiedene Wege. Ein Beispiel war ein LKW-Unfall mit einem Tiertransporter auf der Autobahn, der ich glaube, 600 Schweine geladen hatte. Die sind dann überall herumgelaufen, teilweise waren sie tot, teilweise verletzt. Drei haben sich in den nahegelegenen Wald abgesetzt, die wir nach langer Suche gefunden haben. So sind diese drei zum Beispiel zu uns gekommen. Natürlich alles behördlich abgeklärt. Oder dann gab es eine Mitarbeiterin in einer Schweinezucht, der taten die Schweine immer so leid, die kurz nach der Geburt getötet werden, weil sie zu unrentabel sind. Diese Ferkeltötungen betreffen in Deutschland mehrere Millionen Tiere jedes Jahr. Sie hat dann einfach in Absprache mit ihrem Chef zwei solcher Ferkel mitgenommen und zu uns gebracht. Und diese nicht überlebensfähigen, unrentablen, schwachen Ferkel sind dann irgendwie so 300 Kilo Schweine geworden (lacht).
Freihafen: Bei Euch hat jedes Tier seinen Namen, eine Persönlichkeit. Was kann ein Besuch im „Land der Tiere“, der Kontakt zu Anni und anderen Tieren, deiner Meinung nach bewirken?
Jürgen: Die meisten Menschen haben nicht die Möglichkeit, in Kontakt mit Nutztieren zu kommen. Dabei ist das ein wichtiger Aspekt. Vor allem in einer Umgebung, wo die Tiere ein möglichst selbstbestimmtes Leben führen können. Die Schweine haben zum Beispiel 30.000 Quadratmeter Platz nur für sich selbst, 10 Schweine. Das findest du sonst eigentlich nirgendwo. Dann sind die Tiere auch sehr viel zugänglicher. Wenn sie Lust haben, kommen sie und wollen gestreichelt werden, wenn nicht, bleiben sie halt weg. Das Kennenlernen bewegt oftmals in den Menschen tatsächlich ein Umdenken ihrer eigenen Gewohnheiten. Nach einer Führung kann man ein Stück veganen Kuchen probieren oder mehrmals im Jahr an einem unserer veganen Kochkurse teilnehmen. Viele Menschen geben uns die Rückmeldung, dass sie tatsächlich ihren eigenen Konsum überdacht und verändert haben, nachdem sie bei uns waren. Das ist wieder ein kleiner Schritt hin zu einer gesamtgesellschaftlichen Veränderung, weg von der Tierproduktion hin zu einer pflanzenbasierten Landwirtschaft.
Freihafen: Ihr habt in Zusammenarbeit mit dem Mensch Tier Bildung e.V. ein Bildungsangebot für Schulklassen entwickelt.
Jürgen: Genau.
Freihafen: Inwiefern denkst du, dass man Kinder von klein an, bereits im Kindergarten und der Schule, für das Thema Tierschutz sensibilisieren sollte? Ist Bildung ein Weg zum Ziel?
Jürgen: Auf jeden Fall. Wir laden alle Schulklassen herzlich ein, hier hinzukommen. Es ist ein großartiger Tag für die Schülerinnen und Schüler, bestehend sowohl aus Theorie als auch einem Aufenthalt bei den Tieren. Aber das Ganze hat leider im Moment noch Grenzen. Solange die Gesellschaft als solche das nicht möchte, wird man kein breites Bildungsangebot dahingehend etabliert bekommen, da die Schulen einfach nicht mitspielen und von dem Landwirtschaftsministerium nach wie vor falsche Signale ausgehen. Das es schon alles so in Ordnung sei, wie es ist. Was wir unbedingt brauchen, ist eine Gesellschaft, die sich offen über dieses Thema unterhält. Sich fragt: Wie wollen wir den überhaupt alle Menschen auf dieser Erde satt bekommen? Wie schaffen wir das in einer Art und Weise, die möglichst wenig Schaden anrichtet? Jeder hinterlässt seine ökologische Spur, nur können wir versuchen sie möglichst klein zu halten. Dazu ist eine pflanzenbasierte Landwirtschaft nicht der alleinige, aber ein wichtiger Schlüssel. Wenn jeder rein rational überlegt, wird er sehr schnell feststellen, die Argumente sprechen dafür. Und wenn wir als Gesellschaft uns dann überlegen: Wie kommen wir da hin? Wie helfen wir der Landwirtschaft bei der Umstellung? Dann…dann haben wir es geschafft. Dann ist es zwar noch nicht umgesetzt, aber dann kann das funktionieren. Dann gibt es auch eine andere Bildung, eine andere Landwirtschaft, ein anderes Fördersystem und so weiter.
“Damit sich etwas gesellschaftlich etabliert ist es immer wichtig, dass es eine breite Bewegung und Zustimmung gibt.”
Jürgen Foß
Freihafen: Akzeptanz ist mit Sicherheit ein großer Punkt an der Stelle. Wenn wir sagen, dass dieser Planet vielmehr das „Land der Menschen“ ist, inwieweit denkt ihr blockiert das menschliche Dominanzstreben dann ein friedliches Miteinander?
Jürgen: Ja, dass ist glaube ich leider so. Das der Mensch erstmal grundsätzlich denkt, er könne andere Lebewesen für seine Zwecke ausbeuten oder nutzen…Das ist ja vom Prinzip her schon ein völlig falscher Gedanke. Was würden wir denken, wenn jetzt irgendwelche Ufos hier landen würden, mit hochintelligenten Wesen, die viel stärker und schlauer wären als wir und diese sagen würden: Die Menschen, was sind das denn für Komische, die sind ganz anders und nicht so toll wie wir, also beuten wir die jetzt mal aus. Das wollten wir doch auch nicht. Dabei verhält es sich genauso mit dem Mensch-Tier-Verhältnis. So ein Tier, ich meine das fühlt doch, es hat Empfindungen. Es empfindet Schmerz, es empfindet Trauer, es empfindet Leid. Es ist doch eigentlich selbstverständlich, dass man diesen Lebewesen ihre individuellen Rechte zugesteht. Dafür müssen wir von dem Denken wegkommen, dass wir die Mächtigsten seien und mit allen anderen machen können, was wir wollen. Aber warum auch nicht (zuckt die Achseln)? Das wäre viel besser für alle, denn wir sitzen schließlich in einem Boot. Das ist auch von Mensch zu Mensch so eine Sache.
“Wenn wir alle besser miteinander umgehen würden, auch untereinander, wäre die Welt auch insgesamt viel besser.”
Jürgen Foß
Freihafen: Gibt es zu einem Tier eine bestimmte Geschichte, welche dir persönlich besonders in Erinnerung geblieben ist und die du gerne mit uns teilen würdest?
Jürgen: Die Geschichte von Anni habe ich ja schon erzählt. Dem Ferkel, was eigentlich aus reinen Profitgründen getötet worden wäre, nur weil sie unrentabel für die Zucht war. Das berührt mich immer noch sehr. Deshalb haben wir den Fokus auch so auf die Schweine gelegt, weil diese in der jetzigen Haltung besonders stark der Ausbeutung des Menschen unterlegen sind. Ansonsten gibt es hier sehr viele Tiere, die mir ans Herz gewachsen sind. Vielleicht mal etwas aus einem anderen Sektor, der Heimtierhaltung. Es gibt Millionen von Tieren, die in deutschen Haushalten leben, nicht gut leben. Vor allem betrifft das so etwas wie zum Beispiel Kaninchen. Denen wird man in der Wohnung eigentlich nicht gerecht. Aber es gibt ein Beispiel, und zwar ist das das Minischwein Eddie (lacht). Minischwein Eddie…wir bekamen vor circa zweieinhalb Jahren einen Anruf von einer Frau, die völlig aufgelöst war und sagte: Oje, oje, sie hätte wohl einen Fehler gemacht und sich übernommen und gerade ein Minischwein erworben…
Eddie, der ursprünglich via Ebay-Kleinanzeigen bestellt wurde, fühlt sich im neuen Zuhause viel wohler.
Freihafen: Ein `Teacup´ Pig? Ich glaube so nennt man sie auch, oder?
Jürgen: Ja genau, kann sein. Ok, wir sind auf jeden Fall dorthin gefahren und haben Eddie, ein kleines, junges Minischwein, er war damals nicht größer als eine Katze, noch in einem Jutesack vorgefunden, weil die Frau sich nicht getraut hat ihn auszupacken. Der Verkäufer hat ihn dort hingebracht, an der Haustür übergeben und sie hat Eddie in dem Sack ins Kinderzimmer gestellt, wo er leben sollte. Eddie war total panisch, hat geschrien. Wir haben ihn dann aus dem Sack befreit, zu uns genommen und hier jetzt mit anderen Schweinen vergesellschaftet. Und Eddie ist mittlerweile, was wird er wiegen? Vielleicht 80 Kilo…also ausgewachsen und gar nicht mehr so klein. Die Tendenz, auch in der Heimtierhaltung Tiere für uns zu nutzen, ist glaube ich falsch. Es ist gut möglich mit Hunden so zu leben, dass der Hund auch etwas davon hat. Aber bei vielen Tieren würde ich sagen, dass geht grundsätzlich gar nicht. Schweine gehören zum Beispiel dazu. Das ist auch so eine Geschichte, die sehr einprägsam war (nickt).
Freihafen: Das glaube ich. Ist das „Land der Tiere“ in Deutschland einzigartig?
Jürgen: Solche Projekte, die sich besonders um die Nutztierhaltung kümmern, gibt es schon. Aber meistens gibt es bei diesen keine Öffnungszeiten wie bei uns. Wir haben von Mai bis Oktober jeden Sonntag geöffnet und jeder kann einfach kommen, ganz ohne Anmeldung. Ich glaube, in der Form gibt es das in Deutschland bei keinem anderen Projekt. Wir sind immer sehr froh, wenn die Menschen kommen. Derzeit ist es wegen Corona etwas schwierig…aber irgendwann ist das alles vorbei und dann geht es hier wieder richtig los. Und dann sind wir dankbar für jeden, der sich das Ganze mal anschaut (lacht).
Das “Land der Tiere” ist nicht nur für Familien und echte Tierfreunde einen Ausflug wert, jeder ist willkommen!
Freihafen: Ich habe gelesen, dass ihr momentan Stall Nummer 3 baut…
Jürgen: (nickt zustimmend)
Freihafen: Es gibt bei Euch bereits ein Schaf-, Kleintier- und sogar Schildkrötenland. Für welche Tiere ist dieser gedacht?
Jürgen: Ja, Schildkröten…das ist auch eine lange Geschichte, wie die zu uns gekommen sind. Gehört nicht ganz ins Muster bei uns, aber wir haben das Knowhow um uns um diese, sehr aufwendig zu haltenden, Tiere zu kümmern. Zu Stall 3. Der ist als Wechselstall für Schafe, Ziegen und Schweine gedacht. Zum einen ist es wichtig einen Eingewöhnungs-stall zu haben. Wir müssen jeden Neuzugang zunächst einmal separieren und untersuchen. In der Regel kommen die Tiere aus schlechten Verhältnissen, sind krank, teilweise ansteckend. Sie müssen erst behandelt werden, bevor sie zu den anderen Tieren können. Wir haben schon genügend Quarantänebereiche für die Kleintiere, aber für die Großtiere noch nicht. Stall 3 ist als so ein Bereich gedacht. Und er soll auch dafür verwendet werden, die Schafe mal umzuweiden. Damit sich die eine Weide erholen kann und eine andere abgegrast wird. Dafür bauen wir einen ehemaligen Bunker um. Das ist uns schon mehrfach geglückt. Trotzdem sammeln wir natürlich noch Spenden, denn so ein Umbau ist ganz schön teuer. Da sind 70.000 bis 80.000 Euro mal schnell weg. Da das ganze Projekt ausschließlich von Spenden lebt, auch der laufende Betrieb, sind wir natürlich für jede Unterstützung dankbar.
Freihafen: Man kann Euch nicht nur mit Spendenmitteln unterstützen, sondern auch aktiv vor Ort, nicht wahr?
Jürgen: Ja, wir haben außerhalb von Corona sogenannte Arbeitstage, an welchen die Menschen herkommen und uns praktisch unterstützen können, indem sie mit anpacken. Dabei geht es weniger um die Tierversorgung, das machen die Menschen, die hier festangestellt sind. Eher darum den Schweinewald mal aufzuräumen oder Dinge von A nach B zu schaffen oder etwas umzugraben. Solche Arbeiten, die jeder und jede machen kann und die in der Gemeinschaft einfach mehr Spaß machen (lacht).
Freihafen: Das kann ich mir gut vorstellen (lacht).
Jürgen: Die entsprechenden Termine, auch für alle weiteren Veranstaltungen, findet man auf unserer Hompage.
Freihafen: Lass uns zum Schluss nochmal auf das Thema Utopie zurückkommen. Ihr habt, gewissermaßen, eine kleine Utopie erschaffen. Vielleicht ist das aber auch nur die Außenperspektive (nickt zustimmend). Daher meine letzte Frage: Inwiefern ist das „Land der Tiere“ für Euch bereits utopisch?
Jürgen: Also ich sage mal im Kleinen, wenn es darum geht, wie kann das Verhältnis von Menschen zu Tieren sein, ist das Land der Tiere eine wahrgewordene Utopie, auf jeden Fall. Aber man sollte es nicht so verstehen, dass wir als Ziel haben alle Tiere so zu halten, wie es jetzt hier stattfindet. Nein. Unser Ziel ist, dass es uns gar nicht geben müsste.
“Das Ziel von ehrlichem Tierschutz ist, den Tierschutz abzuschaffen, also uns selbst.”
Jürgen Foß
Es wäre uns das allerliebste, wenn die Tiere nicht ausgebeutet werden würden und wir sie nicht retten müssten. Auch wenn das „Land der Tiere“ im Kleinen utopisch ist, kann das Modell als solches nur ein Übergangmodell sein…bis zur totalen Befreiung von Mensch und Tier.
Freihafen: Danke, für diesen gelungenen Abschluss und das schöne Gespräch. Vielleicht sieht man sich mal auf Eurem Sommerfest.
Jürgen: Ja, ich danke für das Interview (lacht).