II. Es fängt mit einer idee an

Im ersten Teil der Demokratiereihe haben wir einen Blick auf den Stand der Dinge geworfen und erfahren, welches politische System unser Leben maßgeblich prägt und formt. Durch dieses genießen wir Freiheiten, die noch vor ein paar hundert Jahren unmöglich erschienen. Freiheiten, für die Millionen von Menschen in der Geschichte ihr Leben ließen und auch noch werden. Denn es wird immer Personen geben, die Freiheiten von anderen einschränken wollen oder den Begriff missbrauchen. Ihr habt erfahren, was Demokratie ausmacht und in diesem Artikel erfahrt ihr, wie sie sich etabliert hat. Denn Demokratie war nicht einfach von heute auf morgen da. 

Wenn ich an die Schulzeit und an den Geschichtsunterricht zurückdenke, habe ich dicke Bücher und gelangweilte Schüler*innen vor Augen. Sicher ging es nicht nur mir so. Mittlerweile habe ich allerdings wieder Lust daran gefunden, mich mit der Vergangenheit der Menschheit auseinanderzusetzen. Warum? Weil ich auf viele Entdeckungen gestoßen bin und die Welt heute sehr viel besser verstehe! Ein Blick in die Vergangenheit ermöglicht es viele Einflüsse und Entwicklungen von Begriffen, Werten und politischen Systemen zu reflektieren, die wir heute mit Selbstverständlichkeit benutzen. Was wir daraus mitnehmen, ist absolut individueller Auffassung geschuldet und daher ist die folgende Erzählung nur eine von vielen Möglichkeiten: 

Auf gehts!

Die Begriffe Demokratie und Freiheit hängen eng miteinander zusammen. Ohne das Streben der Menschen nach der Loslösung aus Unmündigkeit und Abhängigkeitsverhältnissen wäre Demokratie überflüssig. Aber genau das hat in der Geschichte immer und immer wieder stattgefunden. Hier sei gesagt, dass es sich um eine eurozentrische Geschichte handelt, die immer wieder als die absolute und universelle dargestellt wird. Gerade in Bezug auf andere Kulturen.

Der Anfang der Demokratie lässt sich circa im 5. Jahrhundert vor Christus in Athen setzen. Damals war Solon der oberste Beamte von Athen. Viele betrachten ihn als Revolutionär, denn er trug einige richtungsweisende Veränderungen in der Geschichte der Freiheit bei. Erstens schuf er die Schuldsklaverei ab. Offiziell konnte niemand mehr aufgrund von Armut in die Sklaverei geraten. Zweitens führte er Wahlen ein, damit die Wahlberechtigten am Gemeinwesen mitentscheiden konnten und drittens sorgte er dafür, dass die Gesetze der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden. Damit war die Willkürherrschaft beendet – zumindest für einen Teil der Bevölkerung. Denn vorher konnten die Regierenden Gesetze nach Lust und Laune verändern und benutzen und das konnte niemand kontrollieren. 

Später wurde dies von den Römer*innen mit dem Zwölftafelgesetz übernommen, die öffentlich ausgestellt wurden. Auch unsere Gesetze sind öffentlich im Bundesgesetzblatt nachzulesen und sichern so die Rechtsstaatlichkeit. 

Ein weiteres wichtiges Ereignis war die Bedrohung Griechenlands durch die Perser*innen. Wären diese damals an den Griech*innen vorbeigekommen, sähe unsere Geschichte mit Sicherheit sehr anders aus. Denn die Griech*innen verteidigten nicht nur ihr Land, sondern auch das Narrativ der Demokratie. 

Ein Narrativ ist eine Erzählung, welche bei den Zuhörenden sinnstiftend ist und Werte und Emotionen erweckt. Die Demokratie wurde als das zu erstrebende politische System dargestellt, dass unter allen Umständen verteidigt werden musste. Die Perse*innen wurden entsprechend in schlechtes Licht gerückt, da diese die Demokratie bedrohten.

Narrative wurden in der Geschichte immer schon benutzt, beispielsweise um Ausländer*innenfeindlichkeit zu stützen – um auch ein Negativbeispiel aufzugreifen. Narrative werden nämlich nicht nur zum Wohle aller eingesetzt. 

“Die Spinnen, die Römer*innen”

Wie schon erwähnt, haben sich die Römer*innen später viel von den Griech*innen abgeguckt. 

Am Anfang des Römischen Reiches stand eine Monarchie, was vielen nicht gefiel und so vertrieben diese den König. Danach entschieden sie, dass sie ab sofort selbst für das Regieren verantwortlich sein wollten und diese Form hieß dann „res publica“. Die erste Republik in der Menschheitsgeschichte, in der das Volk die Macht hat.

Die Macht war allerdings trotzdem in den Händen der reichen und männlich gelesenen Bevölkerung, den Patriziern . Den Plebejer*innen, dem einfachen Volk, gefiel das nicht und es entstand ein Ständekampf. Erst als die Plebejer*innen die Patrizier erpressten, indem sie nicht mehr für diese arbeiteten, entstand etwas, was als der Anfang der sozialen Gerechtigkeit bezeichnet werden kann: Soziale Gleichheit sicherte inneren Frieden. Die römische Republik wäre niemals so groß geworden, wäre das „einfache Volk“ weiter unterdrückt worden. Es entwickelte sich zu einem politischen System, welches alles daransetzte, nicht mehr von einem Diktator regiert zu werden. Die sogenannte „Annuität“ sorgte für eine Begrenzung einer Amtsperiode, der Verwaltungsposten war immer doppelt besetzt. Das finden wir heute in jedem Gericht wieder. Es herrscht Gleichheit vor dem Gesetz und die Plebejer*innen haben eine eigene Volksversammlung sowie ein Vetorecht. 

Wenn in diesem Sinne von Gleichheit die Rede ist, müssen wir daran denken, dass Sklav*innen und Frauen nicht zum partizipierenden Teil gehörten. Die attische Demokratie und die römische Republik war eine “Männerherrschaft”. 

Nach dem Untergang der römischen Republik ging auch erst einmal der Gedanke Demokratie unter. Und das für gut 1500 Jahre. Die römische Kirche gewann an Dominanz und schrieb den Menschen ihr Leben vor. Kaiser und Könige regierten und Feudalherrschaft sicherte deren Wohlstand. 

Die Entdeckung des Verstandes

Und dann wurden 1517 die 95 Thesen an die Schlosskirche zu Wittenberg geschlagen – zumindest metaphorisch in Erzählungen. Es war Matrin Luther, der die Herrschaft der römischen Kirche als einer der Ersten erfolgreich in Frage stellte. Die Zeit, die damit begann, wird als Renaissance bezeichnet: Die Menschen setzten sich mit den Schriften der Römer*innen und Griech*innen auseinander. Das Individuum rückte zunehmend in den Mittelpunkt der Welt und damit auch die Vorstellung von einer herrschenden Person, die zum Wohle aller regiert. Erste Staatstheorien mit diesem Hintergrund wurden entwickelt. 

Die Aufklärung begann im 17. Jahrhundert und vielleicht ist der ein oder anderen lesenden Person der Satz aus dem Geschichtsunterricht „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen“ hängen geblieben –  Die Säkularisierung machte sich in den Köpfen der Menschen breit, also die Trennung von Kirche und Staat (wir zahlen allerdings immer noch die Kirchensteuer). Dieses neue Verständnis lässt sich auch in damaligen Staatstheorien wiederfinden, in denen die Rationalität des Menschen ab sofort die Welt erklären sollte. Zur gleichen Zeit entwickelte sich der Humanismus mit der Auffassung der Menschenwürde als höchstes Gut und der Möglichkeit sich als Individuum weiterzuentwickeln. Die Aufklärung soll an dieser Stelle allerdings nicht in den Himmel gepriesen werden, denn der “Normmensch” war immer noch männlich und weiß. Die Aufklärung war außerdem ein Antrieb für die soziokulturelle Kolonialisierung der Welt.

In England entwickelten sich im 17. Jahrhundert nach dem Ende der „gloris revolution“ und dem Sturz des Königs erste parlamentarische Strukturen. Die sogenannten „bill of rights“ wurden durchgesetzt und bildet noch heute die Grundlage von Verfassungen. Diese sichern der Bevölkerung Grundgesetze zu und das Recht auf Redefreiheit. Auch die Immunität von Abgeordneten finden ihren Ursprung in dieser Zeit – ohne diese wäre eine Klage gegen aktuelle Regierungen nicht möglich. 

Last but not least

Wir haben es fasst geschafft! Einen wichtigen Punkt sollten wir uns aber noch anschauen:

Die Französische Revolution und die amerikanische Unabhängigkeit im 18. Jahrhundert haben schließlich zur Durchsetzung der neuen Werte geführt und trugen einen wesentlichen Beitrag zur Etablierung von Menschenrechten bei. Warum? Weil in diesen Auseinandersetzungen unter anderem um das Recht auf Freiheit des Individuums gekämpft wurde und das erfolgreich. An dieser Stelle darf allerdings nicht die Vertreibung und Unterdrückung der indigenen Bevölkerung vergessen werden. Die Geschichte der Demokratie ist eine europäische.

Wichtig zu bedenken ist außerdem, dass alle genannten Ereignisse mit dem Hintergrund einer “Männervorherrschaft” stattfanden. Auch Antisemitismus, Rassismus, Sexismus und/oder Homofeindlichkeit prägten die Köpfe damaliger Denker*innen. Und das ist heute zum Teil immer noch so.

Wie wir gemerkt haben, liegen zwischen den ersten Formen von Demokratie und der heutigen Jahrtausende der Entwicklung und der Auffassung davon. Erste Voraussetzung war die Entdeckung des Individuums, das Recht auf Freiheit und das aufkommende Verständnis davon, dass alle Menschen gleich sind! Daran sollten wir festhalten und dieses ausbauen, dass allen auch gleiche Rechte zukommen. Egal welches Geschlecht, welche sexuelle Orientierung, egal welcher Herkunft: wir wollen alle frei sein. (P.S. auch hier spreche ich von einem eurozentrischen Verständnis von Freiheit)

Im nächsten Artikel wird es darum gehen, DAS und warum die Menschen vergessen haben, für die Demokratie zu kämpfen. Wir wissen nun woher sie kommt und nun geht es darum, den Antrieb für den Erhalt wiederzufinden. Bis dahin: raise your voice. 

Quellen:

Voigt, R. (2016): Staatsdenken: zum Stand der Staatstheorie, Baden-Baden: Nomos.

Klein, H. (2018): Die Geschichte der Freiheit. Wrint Podcast.

Bild mit freundlicher Genehmigung von Henrike Notka
Henrike Notka Verfasst von:

eat the rich