Kann Print gegen online bestehen? Diese Frage ist so eingestaubt und zerlesen, wie der Zeitungsstapel im Wohnzimmer vielerorts. Mit dem Erlöschen des Neon Magazins scheint das Schicksal einer gesamten Branche besiegelt zu sein. Doch abseits solch pessimistischer Stimmen sollte lieber einen Blick auf die Realität geworfen werden. Es wird immer Berufsjournalisten geben, als auch deren Arbeit auf Papier.
Gedruckte Medien ziehen sich immer weiter in eine Nische zurück. Zwar werden Leute, die das Materielle gegenüber den Pixeln vorziehen nicht gänzlich verschwinden, aber sie werden weniger. Wie viele Leute kennt ihr beispielsweise noch, die am Frühstückstisch in einer Tageszeitung schmökern? Große Verlage wie Gruner+Jahr sind sich bewusst, dass gedruckte Magazine wahrscheinlich nur noch in den nächsten 30 Jahren im großen Stil zu produzieren sind. Das folgende Nischenprodukt gilt es aber mit unterschiedlichen Methoden so populär und lukrativ wie möglich zu halten. Auch wenn dies Kompromisse erfordert.
Umdenken statt Wegdenken
Auf einer Infoveranstaltung der Henri-Nannen-Schule zählt die GEO Reporterin Vivian Pasquet zwei dieser Methoden auf: Zum einen findet ein Umdenken in der inhaltlichen Gestaltung statt. Tagesaktuelle Zeitungen können natürlich nicht mit Sekundenaktuellen Internetnachrichten mithalten, und niemand wird mehr eine ganze Ausgabe der Zeit kaufen, nur um eine einzige Reportage zu lesen. Deshalb wird es zunehmend mehr Magazine geben, welche sich durch spezifische und tiefgründig recherchierte Themen abheben können. Zum anderen kann sich Print auch durch eine Umstellung auf technischer Ebene über Wasser halten. Dünneres und günstigeres Papier, weniger Farbe. Das spart Kosten und ist eine Absicherung vor finanziellen Verlusten.
Die Studie „Einsatz und Bedeutung von Printmedien im Kommunkationsmix“ der ECC Köln prophezeit einige weitere Trends in der Papierlandschaft. Es seien Verzahnungen zwischen materiellen und digitalen Darstellungen zu erwarten. So verknüpft das Magazin „Eimsbüttler Nachrichten“ via QR Scanner Bilder ihre Printausgabe, mit Videos im Onlinekanal. Diese Möglichkeiten sind vollständig ausgereift. Sie müssen nur noch gepflückt werden. Zwar ist mit Preiserhöhungen für Gedrucktes zu rechnen, doch dafür werde zukünftig auch immer kreativerer, ja sogar qualitativerer Inhalt produziert. Und Qualität wird die journalistische Arbeit auch in Zukunft ausmachen.
Kein Print, keine Klasse?
Online geht es oft um jede Sekunde: Redaktionen müssen schnell sein, wenn sie bei einer Eilmeldung nicht hinter der Konkurrenz landen wollen. Wie viel Zeit bleibt da noch, um einen Artikel ordentlich auszuarbeiten? Online geht es um Verweildauer: Die Einnahmen für Veröffentlichungen im Netz werden über Werbeeinnahmen generiert, welche höher ausfallen, je länger der Leser die Seite geöffnet hat. Aus diesem Grund müssen Onlineartikel möglichst reißerisch und fesselnd geschrieben werden. Wie steht es da um eine sachliche Reflektion eines vielleicht trockenen, aber wichtigen Themas? Aus diesen Gründen stellt sich die Frage, wie viel Qualität im dauerhaften Onlinejournalismus zustande gebracht werden kann.Wäre es nicht zum Wohle aller, wenn wieder mehr Zeitungen am Kiosk gekauft werden würden? Die einen könnten hochwertigeren Inhalt produzieren, die anderen würden von diesem profitieren.
Natürlich ist auch die Printbranche nicht perfekt. Sie sind unhandlich für den ungeübten Leser, und sie stellen einen immensen Papierverbrauch dar, welcher unserer Umwelt nicht besonders zuträglich ist. Die schlanke, neue und umweltfreundlichere Tageszeitung lautet E-Paper und Digitalabonnement. Dabei zahlt der Leser den üblichen Preis für ein Abonnement, und bekommt dafür die Zeitung im klassischen Format auf den Bildschirm transferiert. Anstatt nun die Finger anzufeuchten um umzublättern, wird geklickt oder getoucht. Zu diesem Geschäftsmodell äußerte sich auch der Handelsbatt Redakteur Christian Wermke auf dem Jugendpressefrühling 2018: „Langsam scheinen die Leute bereit, für digitale Inhalte zu bezahlen. So wie es bei euch selbstverständlich ist, 9,99€ für Spotify zu zahlen oder die Gebühren für Netflix, wird es so sein, dass man für Journalismus bezahlen wird“. Auch wenn es noch zwei Jahre dauern könne, so sei der Erfolg gewiss. Als Paradebeispiel für das Konzept der Digitalabos führte Wermke die New York Times auf. Seit Trumps Machtantritt habe sie hunderttausende Neukunden gewonnen, da „das Bedürfnis nach Einordnung und Aufklärung wächst“.
Mehr als nur Papier
Dennoch ersetzt ein E-Paper nicht die Besonderheit der Haptik des Zeitungslesens. Die Leser müssen auf das Gefühl des handfesten und gebündelten Wissens verzichten, wenn sie sich nicht für die Printversion entscheiden. Zudem kann eine gedruckte Zeitung im Gegensatz zur digitalen auch als Rückzugsort dienen. Ein Rückzugsort fernab von unzähligen Klicks, Cookies, Meldungen und Anzeigen, welche ununterbrochen auf uns einströmen. Der Marktstratege Andrew Davis nennt diese Eigenschaft des Internets “Information Overload”. Und das sollte allemal Grund dafür sein, auch die Zeitung aus Papier anstatt des Tablets in die Hand zu nehmen.
Vor einem plötzlichen Verschwinden aller Druckerzeugnisse ist nicht zu bangen. Es wird Umstellungen, Kompromisse und neue Konzepte geben. Das Digitale wird die Oberhand erlangen, wenn es sie nicht schon hat, aber die gedruckten Zeitungen werden ihre Existenz nicht gänzlich aufgeben. Wer sich für eine Printausgabe entscheidet, der wird viel eher durch die Exklusivität der Darstellung, als auch der Qualitiät des Inhalts überzeugt sein. Der Printjournalismus wird sich immer über Wasser halten können. Sei es aus allgemeiner Überzeugung, oder Nostalgie.
Wer nun tatsächlich Lust auf ein handfestes, gedrucktes Magazin bekommen hat, der sollte ab dem letzten Quartal 2018 die Augen nach unserem FREIHAFEN Magazin offen halten.