Liebes Hamburg, …

wir kennen uns jetzt seit rund drei Jahren. Eigentlich haben wir uns ja auch schon vorher kurz gesehen – 2011, zusammen mit dem großartigen Bob Dylan im Stadtpark. Mann, war das schön.

Dann, nach langem Überlegen, bin ich zu dir gezogen. Meiner Ex Leipzig hat das damals das Herz gebrochen, mir auch ein bisschen… Ich hoffe, du nimmst es mir nicht übel, wenn ich heute noch manchmal an sie denke.

Leicht gemacht hast du es mir am Anfang unserer Beziehung nicht. Ich hab mich hier einfach nicht zurecht gefunden. Die ersten Tage wollte ich gar nicht aus dem Haus – manchmal hatte ich das Gefühl, du vertauscht extra deine Straßen, um mich in die Irre zu führen. Ständig bin ich zu spät gekommen, weil ich mich irgenwo verlaufen habe. In deine U-Bahnen habe ich mich gar nicht getraut, und erst recht nicht in die Busse. Die hätten mich wahrscheinlich gleich ab über die Elbe und ins Fledermausland gebracht. Inzwischen fahre ich echt gern mit Bus und Bahn, damit kommt man echt schnell überall hin. Nur Hammerbrook und Hasselbrook werde ich immer verwechseln – frage mich immer noch, wer auf die beschränkte Idee gekommen ist, die beiden Haltestellen in die gleiche Ecke der Stadt zu legen. Wahrscheinlich ist man erst waschechter Hamburger, wenn man die zwei auseinander halten kann. Wo wir einmal dabei sind: dass die U3 im Kreis fährt, habe ich inzwischen verstanden, im Gegensatz zu dem lebensgroßen Verrückten-Labyrinth-Brettspiel unter dem Jungfernstieg. Was ist das, ein Fuchsbau?

Eins muss aber mal gesagt werden: selbst nach drei Jahren, was in der heutigen Zeit schon fast eine Methusalem-Beziehung ist, finde ich dich immer noch wunderschön. Wenn ich nachts vom Dammtor Richtung Hauptbahnhof fahre, und dann kommst du mit deiner Binnenalster um die Ecke. ..bäm. Einfach Wahnsinn. Oder wie Seeed sagen würden: deine Skyline macht bling bling und alles ist vergessen. Wie oft ich schon um deine Außenalster spaziert bin, ich habe irgendwann aufgehört zu zählen. Auf der Wiese am Schwanenwik ist es immer sauvoll, aber ich kenne keinen besseren Ort, um zu grillen. An der Brücke müsste übrigens noch ein Liebesschloss von mir hängen, vielleicht ist es ja noch da.

Was du noch gut kannst, ist kochen. Wie viele tolle Restaurants, Bistros, Cafés und Imbisse hast du bitte? Wo hast du das denn gelernt? Vielleicht von deinen ganzen asiatischen, französischen, italienischen, türkischen, syrischen, indischen (und, und, und ..) Freunden. Aber die Blumenkohlfalafel von Kimo in der Schanze bleiben ungeschlagen.

Apropos: in der Schanze, auf St. Pauli. Inzwischen mache ich diesen Fehler nicht mehr. Aber ich wäre sehr dankbar, wenn mir jetzt noch jemand erklärt, wie ich „Alsterglacis“ ausspreche.

Sprachbarrieren gab es ansonsten wenige. Ich liebe deinen Dialekt einfach viel zu sehr. Wenn die Stammkunden beim Klönschnack am Tresen rüberrufen: „Lotta mein Deern, nu bring’ mir noch ‘n Lütt’n!“, da geht einem doch das Herz auf.

Ich mag auch an dir, dass du so vielseitig bist. Du hast den Hafen, die Sternbrücke, den Stadtpark, die Flora, die Speicherstadt, das Karoviertel und das schöne Alsterfleet. Und das ist erst der Anfang. Auf deinem Rathausmarkt treffen sich Senatoren und Obdachlose, Touris und Busfahrer, Shopping Queens und Handwerker auf ‘ne Curry. Du kannst schick sein, aber jeder, der mal auf dem Kiez war, kennt deine schmutzige Seite. Wie oft bin ich schon den Hamburger Berg runtergestolpert, um mit dem Schwung in eine Kneipe auf der anderen Seite zu kommen? Eine Treuekarte beim Kiosk an der Ecke, wo die Jungs Longdrinks für 4€ verkaufen, würde sich bei mir inzwischen echt lohnen. Im Sommer von Bar zu Bar zu schlendern, und nirgendwo Eintritt bezahlen zu müssen, das hast du schon echt super eingerichtet. Und obwohl du das Molotow inzwischen in die Ecke der Reeperbahn verbannt hast, bleibt es mein Lieblingsladen.

Du bist perfekt organisiert. Wenn wir Sonntag früh Richtung Hafen wanken, um den Sonnenaufgang zu sehen, stellst du schon deine Verkaufswagen auf den Fischmarkt, um die Betrunkenen anständig zu versorgen. Blumen für den Küchentisch gibt’s auch da. Die einzige Sorge bleibt, sich das Brötchen nicht von einer Möwe klauen zu lassen, die sehen es nicht ein, für ihr Frühstück zu bezahlen und sind deshalb ziemlich aufdringlich. Die Füße über die Hafenkante baumeln lassen, den Duft vom Meer in der Nase und die Musik aus der Fischauktionshalle im Rücken, das ist doch echt Dolce Vita auf Norddeutsch.

Liebes Hamburg, ich habe dich in den vergangenen Jahren schon ganz lieb gewonnen. Vielleicht kann aus uns ja doch was werden.

Bild mit freundlicher Genehmigung von © David Reineke
Lotta Johanna Stähr Verfasst von:

22 Jahre alt, Germanistikstudentin, liebt Tarantino-Filme und hört Musik für alte, bärtige Männer. Redakteurin beim FREIHAFEN.