In Polen würde die Vorweihnachtszeit nicht so sehr gefeiert werden wie in Deutschland, sagte man mir am Anfang meines Freiwilligendienstes. Okay, Lebkuchen gab es erst ab Mitte November und nicht schon Anfang Oktober- doch nun sind polnische Supermärkte nicht weniger auswahlsreich als deutsche. Auch in puncto weihnachtliche Dekorierung steht Polen deutschen Städten nicht nach- im Gegenteil, meine unwesentlich kleinere Heimatstadt ist nicht so bunt und einfallsreich geschmückt wie meine Wahlheimat. In Żary verzieren Schneeflocken und Christbäume Straßenlaternen, bunt geschmückte Weihnachtsbäume stehen in der Innenstadt und in den Schulen und das Rathaus hatte zum Nikolaus sogar eine Weihnachtsmütze auf!
Doch wie feiern Polen Weihnachten? Sofia fragte vier Schülerinnen direkt aus Polen.
Vorweihnachtszeit
Wie in Deutschland beginnt die Vorweihnachtszeit am ersten Dezember mit dem ersten Türchen des Adventskalenders. Schoko, Schoko und nochmals Schoko gibt es da, von Lindt, von Milka und no name Schokolade. Aber auch Spielzeug-Adventskalender findet man. Nach einem Haribo-Adventskalender suchte ich jedoch vergeblich. Am ersten Advent wird die erste Kerze angezündet. Adventskränze gibt es allerdings nicht wie in Deutschland in jedem Haushalt, sondern nur in den Kirchen.
In jeder kleineren und größeren Stadt gibt es Weihnachtsmärkte, eine Tradition, die aus Deutschland importiert wurde und noch recht jung ist. So gibt es erst seit Anfang des 21, Jahrhunderts in Breslau einen Weihnachtsmarkt, während in Deutschland der Brauch im 14. Jahrhundert begann. In Deutschland gibt es dabei andere Essenstände als in Polen: Das Schmalzgebäck fehlt, wird jedoch durch eine ukrainische Spezialität ersetzt und mehr Fahrgeräte – auf dem Breslauer Weihnachtsmarkt gibt es überwiegend Geschäfte mit Kleinigkeiten. Man kann auf dem Breslauer Weihnachtsmarkt wirklich Geschenke für die ganze Verwandtschaft plus Freunde kaufen. So wichtig wie in Deutschland scheint der Markt jedoch nicht zu sein: Zwei Schülerinnen erzählen, sie wären noch nie in Breslau oder in Żary auf dem Weihnachtsmarkt gewesen.
Der 24. Dezember
Wichtig für die Polen sind dafür die Traditionen, die den Heiligabend betreffen. Das Fest beginnt, sobald der erste Stern am Himmel steht. Dann beginnt die Familie, die in Polen meist nicht nur aus der Kernfamilie besteht, sondern auch Großeltern, Tanten und Onkel umfasst, mit dem Essen. Traditionell umfasst das Weihnachtsessen 12 Speisen, in vielen Familien sind es jedoch auch weniger. Dabei steht die 12 für die zwölf Monate oder die 12 Apostel. Die Speisen sind typisch polnisch und am Heiligabend vegetarisch. Die Kirche erlaubt inzwischen das Verspeisen von Fleisch am Weihnachtsabend, doch in Polen kommt das Bigos erst am ersten Weihnachtsfeiertag auf den Tisch. Karolina und Tamara erzählen, beliebte Speisen seien dabei u.a. Barczsc (Rote Beete Suppe), Pierogi (eine Art polnische Maultaschen mit verschiedenen Füllungen), Karpfen oder Hering. Zum Nachtisch gibt es Makowiec (Mohnkuchen) oder Kutia (eine süße Getreidespeise). Je nach Region können die Suppen und Nachtische aber auch variieren. Bei Tamara gibt es auch viele Salate, obwohl das nicht traditionell ist. Zu den Speisen trinkt man Glühwein oder Kompot (ein warmes oder kaltes Getränk, das durch das aufkochen und zuckern von Früchten entsteht).
Beim Essen steht stets ein Teller mehr auf dem Tisch, als Personen anwesend sind. Falls ein unangekündigter Gast an der Türe klopfen sollte, so stehe der Teller schon bereit, erklären mir Natalia und Klaudia. Eine andere Deutung ist, dass der Teller symbolisch für verstorbene Familienmitglieder stehen soll.
Nach dem Abendessen dürfen Geschenke ausgepackt werden. Diese werden den kleinen Kindern vom Weihnachtsmann gebracht. Wie in Deutschland gibt es einen Christbaum, der geschmückt wird. Auch dies ist eine von Deutschland importierte Tradition. Die Familie singt zusammen Weihnachtslieder. Interessant dabei ist, dass es in Polen ein eigenes Wort für Lieder über Christus gibt: kolęda. Einige deutsche Lieder, wie „Stille Nacht, heilige Nacht“ wurden ins polnische übersetzt und sind ebenso bekannt wie in Deutschland. Um Mitternacht gehen alle Polen in die Weihnachtsmesse. Krippenspiele finden nicht wie in Deutschland während der Messe statt, sondern werden in Schulen aufgeführt.
Christi Geburt statt Fest der Liebe
Dass nichtgläubige Deutsche auch Weihnachten feiern, rief Verwunderung hervor. Was diese Menschen dann feiern würden, wurde ich gefragt. Generell wird in Polen das Weihnachtsfest sehr viel stärker christlich gefeiert, während Weihnachten in Deutschland in vielen Familien ein „Fest der Liebe“ ist und bei Straßenumfragen regelmäßig viele Menschen zugeben, den christlichen Hintergrund des Festes gar nicht zu kennen.
Zur Weihnachtszeit ist in Deutschland und Polen also Vieles sehr ähnlich, was sich auf unsere gemeinsame Geschichte zurückführen lässt. Die Polen jedoch haben mehr Traditionen und diese werden auch heute noch gelebt. Als ein sehr katholisches Land hat Christi Geburt mehr und die Geschenke weniger Stellenwert als in Deutschland.
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