Ist der Journalismus ein Spiegel der Gesellschaft? Nicht in Deutschland. Das Diversitätsproblem der deutschen Medien ist auch im Nachwuchs erkennbar.
[Meinung] Eine häufig gestellte Frage in meiner Generation lautet „Was studierst du eigentlich?“ Meine Standardantwort: „Irgendwas mit Medien.“ Normalerweise gibt es dann einen kurzen Lacher und das Thema ist beendet. Eventuell kommt noch eine Nachfrage, was ich denn genau studiere. „Medien und Information.“ Gähn… Nächstes Thema.
Nicht so auf der Youth Media Convention 2021 (YouMeCon). Dort drehte sich alles um „irgendwas mit Medien“. Vom 11. bis zum 14. November hat die Jugendpresse Deutschland nach Berlin eingeladen. Junge Medienschaffende trafen sich vier Tage lang und tauschten sich über ihren Traumberuf aus: Journalismus. Die Veranstaltung stand unter dem Thema „Beyond Media – Medien und Aktivismus neu denken“. Von unserem FREIHAFEN-Team waren auch einige vor Ort.
Es war eine sehr intensive Zeit. Viele Workshops und Gesprächsrunden, neue Kontakte und interessante Ansichten. Wer sich vor diesem Event noch nicht sicher war, ob er oder sie wirklich Journalist:in werden wollte, war es danach definitiv. So viele kreative, engagierte junge Menschen auf einem Haufen sind einfach unfassbar inspirierend.
Studie zeigt: Keine Diversität in deutschen Chefredaktionen
Doch ein Manko hatte die Veranstaltung. Es fehlte an Diversität. Ein Problem, das im Journalismus nicht neu ist. Bereits 2018 veröffentlichten die Neuen Deutschen Medienmacher*innen eine Studie, in der sie zeigten, dass knapp 94 Prozent der Chefredaktionen in Deutschland von Deutschen ohne Migrationshintergrund besetzt werden. Und bei den übrigen sechs Prozent handelt es sich hauptsächlich um Menschen mit Geschichte in anderen mitteleuropäischen Ländern wie Dänemark oder den Niederlanden.
Laut dem Verein sind deutsche Redaktionen schätzungsweise nur zu fünf bis zehn Prozent mit Menschen mit Migrationshintergrund besetzt. Im Vergleich dazu: In Deutschland haben knapp 40 Prozent der Jugendlichen einen Migrationshintergrund. Und auch in der Gesamtbevölkerung ist der Anteil mit ungefähr 26 Prozent deutlich höher als in den Redaktionen.
Warum ist diese Diskrepanz ein Problem? Weil sich Menschen mit internationaler Geschichte nicht in den Medien wiedererkennen. Die Themen, die sie beschäftigen, werden zu selten angesprochen und die wenigen Redakteur:innen mit Migrationshintergrund fühlen sich schnell unwohl in den kaum vielfältigen Redaktionen.
Diversitätsproblem wird auch auf der YouMeCon deutlich
Der Journalismus spiegelt also keineswegs die Gesellschaft wider. Das hat man auch auf der YouMeCon gespürt. Die meisten Referent:innen waren weiße Deutsche. Ob diese vielleicht trotzdem einen Migrationshintergrund haben, lässt sich natürlich nicht immer erkennen. Schwarze Menschen waren aber beispielsweise nicht dabei. Nur wenige waren migrantisch wahrgenommene Personen.
Hier sind alle Referent:innen und Moderator:innen aufgelistet. Ein paar ausländisch klingende Namen sind dabei. Es gab sogar ein Panel zum Thema Diversität, bei dem sowohl die Moderatorin als auch die Referent:innen Menschen mit Migrationshintergrund waren. Insgesamt waren diese Menschen aber die deutliche Minderheit. An dieser Stelle ist mir wichtig, darauf zu verweisen, dass dies keine Kritik an der YouMeCon sein soll, sondern am Journalismus generell.
Denn auch unter uns Teilnehmenden (mich eingeschlossen) fanden sich nur wenige nicht-weiße Menschen. Ich habe dort zum Beispiel Alex, Svenja, Anna und Moritz kennengelernt. Vielfalt hört sich anders an. Das Problem: Journalismus ist ein Beruf für privilegierte Menschen. Wer es sich nicht leisten kann, unbezahlt oder für einen Hungerlohn zeitaufwändige Praktika zu absolvieren, hat kaum eine Chance.
Es scheitert nicht zuletzt am Geld
Du möchtest bei uns ein Praktikum absolvieren? Das geht leider nur, wenn du schon mehrere vorherige Praktika vorweisen kannst. Gehalt bezahlen wir dir aber natürlich nicht. Du möchtest bei uns in der Redaktion anfangen? Mach doch erstmal zwei Jahre lang ein Volontariat. Dafür gibt es trotz deines abgeschlossenen Studiums aber nur ein Ausbildungsgehalt.
Das ist zwar etwas überspitzt formuliert, aber so fühlt sich der Einstieg in den Journalismus für viele Menschen an. Und dann wundern wir uns, wenn unsere Redaktionen überwiegend von weißen Akademikerkindern besetzt werden?
Die Neuen Deutschen Medienmacher*innen fordern von den Chefetagen, dass diese sich dem Thema Diversität öffnen. Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen sollen Zugang zu Redaktionen finden und sich dort wohlfühlen. Das wird aber nicht nur durch guten Willen geschehen. Es müssen passende Rahmenbedingungen geschaffen werden. Unter anderem: Einstiegs- und Praktikumsgehälter von denen es sich leben lässt.
Wir sind die Generation von Journalist:innen in der dieser Wandel stattfinden muss. Wir müssen uns dafür einsetzen, dass es in Zukunft transparente Zahlen zu der Diversität in Redaktionen gibt. Wir müssen dafür sorgen, dass der Einstieg in den Journalismus kein Privileg der oberen Mittelschicht bleibt. Denn unsere Gesellschaft ist bunt und unsere Redaktionen sollten es auch sein.
Dieser Beitrag ist ein Meinungsbeitrag und spiegelt den Standpunkt des Redakteurs zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wider.