Schönheit im Mainstream: warum wir Schönheitsstandards mit jedem neuen TikTok Trend neu definieren

Yasmin Orouji 

Die YouTuberin Lorry Hill analysiert in ihren Videos die Schönheits-OPs, die sich berühmte Schauspieler*innen unterzogen haben. Sie analysiert Gesicht, Beine, Oberschenkel und versucht herauszufinden, wo sich eine Person operiert lassen hat. Ihr Video über Anya Taylor-Joy ist besonders beliebt. Bei ihrer Analyse stellt Lorry fest, dass sich Anya Taylor-Joy möglicherweise im Gesicht operiert lassen hat. Anya Taylor-Joys Wangenknochen stechen mehr hervor als auf früheren Bildern – Lorry Hill glaubt, dass sie eine Buccal Fat Removal hatte. Aber nicht nur Stars machen dasselbe Prozedere. Auf TikTok zeigen junge Frauen ihre eigenen Gesichter nach diesem Eingriff. Heutzutage ist Schönheit käuflich. Wenn man seine eigenen Wangenknochen, Oberschenkel oder etwas anderes nicht schön findet, gibt es eine passende OP dafür. Genug Vorbilder zum Nachahmen gibt es auf Instagram. Der Körper wird zu einer Schablone, die für jeden neuen Trend anders geschnitten wird. Doch es birgt auch Gefahren, den eigenen Körper nach Mainstream Trends zu modifizieren. 

Lory Hill ist nur eine von hunderten Creatorn, die Schönheits-OPs in den Vordergrund stellen. Egal, welcher Eingriff gerade beliebt ist, es wird im Handumdrehen nachgeahmt. Andere Marken wie H&M haben mit ihrer Kampagne Close the Loop Natürlichkeit in den Vordergrund gestellt. In dieser Werbung sieht man Frauen, die nicht der Schönheitsnorm entsprechen. Doch das ist immer noch die Ausnahme. Das Markenimage ist geprägt von Frauen, die ihren Körper stark modifiziert haben. Besonders heranwachsende Mädchen, die auf Instagram nach Vorbildern suchen, fallen in diese Tappe. Instagram ist der Ort, wo man Inspiration für einen neuen, perfekten Körper findet. Seinen Körper zu verändern ist in der Gesellschaft akzeptiert. Diese modifizierten Körper von Influencer*innen prägen unser Verständnis von Schönheit, das man meistens nur mit einer teuren OP erreichen kann. Soziale Medien geben die Norm an, was schön ist. Das wird besonders deutlich bei der Thigh-Gap Challenge auf TikTok. Nutzerinnen posten, ob sich ihre Oberschenkel berühren, wenn man gerade steht. Wenn das nicht der Fall ist, wird so lange trainiert, bis das Ziel erreicht ist. Das Wetteifern um den perfekten Körper steigert den Druck, sich selber in Szene zu setzen. 

Das Erbe von Kate Moss 

Je alltäglicher eine Norm wird, desto langweiliger wird sie. Schönheitsideale von Frauen haben sich im Laufe der Jahrzehnte deswegen enorm verändert. In den 1990ern eiferte man den Körper von Kate Moss nach. Nur dünn zu sein, reichte nicht. Frauen musste so dünn sein, dass man fast ihre Knochen sehen konnte. Das Heroin Chic Ideal prägte die Gesellschaft so sehr, dass extreme Dünnheit maßgebend ist. Nothing tastes as good as skinny feels, soll Kate Moss schließlich gesagt haben. Als die 90er zu Ende waren und Instagram auf den Markt kam, bestimmte jemand anderes die Schönheitsnorm. Die Körper der Kardashian Frauen waren kurvig, aber dennoch der Norm entsprechend dünn. Die Hourglass Figur ist jetzt in – obwohl bis vor kurzem Frauen einem anderen Ideal nachahmten.

Das Pew Research Center hat in einer Studie herausgefunden, dass neun von zehn Schüler*innen im Alter von 13 – 17 Jahren Social Media benutzen. Obwohl Instagram nach dem Alter fragt, wird nicht danach kontrolliert. Im Jahr 2021/22 haben 78 % der 16- 19 Jährigen in Deutschland Instagram benutzt. Instagram ist voll von modifizierten Bildern, die einen perfekten Körper in Szene setzen. Das fördert einen ungesunden Konkurrenzkampf, in der nur ideale Körper zählen. Doch wer sind die Verlierer bei diesem Wettbewerb?

Bei einer Studie an der York University in Kanada wurden Frauen Instagram Bilder mit ,,idealen“ Körpern gezeigt. Die Teilnehmerinnen wurden gefragt, sich selber mit diesen Körpern zu vergleichen. Das Resultat hat gezeigt, dass sich Frauen viel unzufriedener mit ihren Körpern fühlen, wenn sie solchen Schönheitsidealen ausgesetzt sind. 

Schönheits-OPs im Trend 

Das Problem hört bei Instagram nicht auf. Soziale Medien preisen Schönheits-OPs, die einen näher zum gewünschten Ideal bringen. Der Brazilian Butt Lift war eines der beliebtesten OPs in 2021. Bei diesem Eingriff wird Fett aus anderen Körperteilen in den Hintern injiziert wird. Aber es ist auch eines der gefährlichsten Eingriffe. Laut der Aesthetic Society stieg die Zahl der Brazilian Butt Lift OPs um 37 % zwischen 2020-21. Im Jahr 2017 lag die Todesrate bei diesem beliebten Eingriff bei 1 zu 2351. Trotz der Risiken streben junge Frauen nach dem idealen Körper. Entweder sind es die Kardashians im Fernsehen, oder ein Influencer auf Instagram – immer gibt es jemanden, der den perfekten Körper als Maßstab angibt. 

Die Zukunft des Mainstream Ideals 

Diese idealisierten Körper haben dennoch Konsequenzen. Teenager, die oft Social Media benutzen, haben laut einer Studie eine höhere Chance, Essstörungen zu entwickeln.

Das Mainstream Ideal diktiert, dass man möglichst viel an seinem Körper verändern soll. Schönheitsideale springen von einem Ideal zum nächsten. Um diese Ideale zu bekämpfen, lohnt es sich, normale Körper in den Medien zu stellen. Damit soll sich jeder angesprochen fühlen. Die Medien haben die Macht, das nächste Schönheitsmaß zu bestimmen. Aber sie können auch Frauen und Männer in den Mittelpunkt stellen, die nicht in das Ideal passen. Body Diversity kann der Schlüssel sein, um darauf aufmerksam zu machen, dass jedes Schönheitsideal flüchtig ist. In ein paar Jahren kann können Schönheitsstandards komplett anders aussehen. Aber dieses Mal sind hoffentlich alle eingebunden – nicht nur die, die dem Standard  entsprechen. 

Bild mit freundlicher Genehmigung von Javier Isorna
Yasmin Orouji Verfasst von: